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Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens

Titel: Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Nachteil.«
»Ist sie anderen verbündeten Mächten unterlegen?«
»Nein. Versteh mich nicht falsch. Sie ist so mächtig wie der beste Verbündete, aber sie hat etwas, das ich persönlich nicht mag.«
    »Kannst du mir sagen, was es ist?«
    »Sie verdirbt Männer. Sie gibt ihnen, ohne ihre Herzen zu stärken, zu früh einen Geschmack von Macht. Sie macht herrschsüchtig und unberechenbar. Sie macht sie auf der Höhe ihrer großen Macht weich.«
»Gibt es keinen Weg, das zu vermeiden?«
    »Es gibt einen Weg, es zu überwinden, aber keinen, es zu vermeiden. Wer immer der Verbündete des Krauts wird, muß diesen Preis zahlen.«
    »Wie kann man diese Wirkung überwinden, Don Juan?«
»Die yerba hat vier Köpfe:: die Wurzel, den Stiel mit Blättern, die Blüten und die Samen. Jeder von ihnen ist verschieden, und wer ihr Verbündeter wird, muß sie in dieser Reihenfolge erlernen.
    Der wichtigste Kopf ist in den Wurzeln. Die Macht des Teufelskrauts wird durch die Wurzel errungen. Stiel und Blätter sind der Kopf, der Krankheiten heilt; richtig benutzt ist dieser Kopf ein Geschenk für die Menschheit Der dritte Kopf ist in den Blüten, und man nimmt ihn, um Leute verrückt oder abhängig zu machen oder um sie zu töten. Der Mann, dessen Verbündeter das Kraut ist, nimmt aus diesem Grund niemals die Blüten, ebensowenig Stiel und Blätter ein, außer in Fällen eigener Krankheit; aber die Wurzeln und Samen werden eingenommen; besonders die Samen; sie sind der vierte Kopf des Teufelskrauts und der mächtigste der vier.
    Mein Wohltäter sagte gewöhnlich, die Samen seien der »besonnene Kopf« - der einzige Teil, der das Herz eines Mannes stärken könne. Die yerba ist hart zu ihren Schützlingen, sagte er oft, denn sie ist darauf aus, sie bald zu töten, noch bevor sie zu den Geheimnissen des »besonnenen Kopfes« vordringen. Es wird jedoch von Männern erzählt, die hinter die Geheimnisse des besonnenen Kopfes gekommen sind. Welch eine Herausforderung für einen Wissenden!«
    »Hat dein Wohltäter solche Geheimnisse entdeckt?«
»Nein.«
    »Bist du jemandem begegnet, der sie entdeckte?«
»Nein. Aber sie lebten zu einer Zeit, als dieses Wissen wichtig war.«
    »Kennst du jemanden, der solchen Männern begegnet ist?«
»Nein, ich kenne niemanden.«
    »Hat dein Wohltäter jemanden gekannt?«
»Er ja.«
    »Warum ist er nicht zu den Geheimnissen des besonnenen Kopfes vorgedrungen?«
    »Die yerba zu einem Verbündeten zu zähmen, ist eine der schwierigsten Aufgaben, die ich kenne. Sie wurde zum Beispiel niemals eins mit mir, vielleicht weil ich sie nicht mochte.«
»Kannst du sie noch als Verbündete gebrauchen, obwohl du sie nicht magst?«
    »Ich kann; trotzdem ziehe ich vor, es nicht zu tun. Vielleicht wird es für dich anders sein.«
    »Warum wird sie Teufelskraut genannt?«
    Don Juan machte eine gleichgültige Geste, zuckte mit den Schultern und blieb einige Zeit still. Schließlich sagte er, daß »Teufelskraut« ihr vorläufiger Name (su nombre de leche) sei. Er sagte auch, daß es andere Namen für das Teufelskraut gäbe, die aber nicht benutzt werden sollten, weil das Nennen eines Namens eine ernste Sache sei, besonders wenn man lerne, eine verbündete Macht zu zähmen. Ich fragte ihn, warum das Nennen eines Namens eine so ernste Sache sei. Er sagte, Namen seien Hilferufen vorbehalten, sie seien für Augenblicke großer Anstrengung und Not, und er versicherte mir, daß solche Augenblicke früher oder später im Leben dessen eintreten, der Wissen sucht.

Sonntag, 3. September 1961
    Heute im Laufe des Nachmittags holte sich Don Juan zwei Datura-Pflanzen vom Feld
    Ziemlich unerwartet brachte er das Thema Teufelskraut in unser Gespräch und bat mich, ihn zu den Hügeln zu begleiten und eine Pflanze zu suchen.
    Wir fuhren in die nahen Berge. Ich holte eine Schaufel aus dem Kofferraum, und wir gingen in einen der Canyons. Wir gingen ziemlich lange, schlugen uns durch das Gebüsch, das dicht in dem weichen, sandigen Boden wuchs. Er blieb neben einer kleinen Pflanze stehen, mit dunkelgrünen Blättern und großen, weißlichen, glockenförmigen Blüten.
    »Diese hier«, sagte er.
    Er begann sofort zu graben. Ich versuchte ihm zu helfen, aber er lehnte mit entschiedenem Kopfschütteln ab und grub weiter an einem runden  Loch um die Pflanze: es war ein kegelförmiges Loch, tief an den äußeren Rändern und in der Kreismitte hügeförmig ansteigend. Als er zu graben aufhörte, kniete er dicht an dem Stiel, entfernte mit seinen

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