Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
oder zu spekulieren. Ich faßte den Entschluß. ihn nichts zu fragen. Diesmal wollte ich ein stummer Zeuge bleiben. »Genaro ist wiedergekommen, ausschließlich für dich«, sagte Don Juan.
    Don Genaro lehnte an der Hauswand, gegen die er, auf der umgestürzten Milchbütte hockend, seinen Rücken stützte. Er sah aus, als reite er auf einem Pferd. Die Hände hielt er nach vorn gestreckt, so daß man den Eindruck hatte, er halte die Zügel fest.
    »Stimmt, Carlitos«, sagte er und stieß die Milchbütte gegen den Boden.
    Er stieg ab, wobei er das rechte Bein über einen imaginären Pferdehals schwang, und sprang auf den Boden. Seine Bewegungen waren so perfekt, daß sie mir das unzweifelhafte Gefühl eingaben, er sei hoch zu Pferde angekommen. Er kam zu mir herüber und setzte sich zu meiner Linken. »Genaro ist gekommen, weil er dir von dem Anderen erzählen will«, sagte Don Juan.
    Er machte eine Gebärde, als ob er Don Genaro das Wort erteilte. Don Genaro verbeugte sich. Er drehte sich näher zu mir.
    »Was möchtest du wissen, Carlitos?« fragte er mit überzogener Stimme.
    »Nun, wenn du mir etwas über den Doppelgänger erzählen willst, dann erzähl mir bitte alles«, sagte ich, Gelassenheit vortäuschend. Die beiden schüttelten die Köpfe und schauten sich an.
    »Genaro wird dir etwas über den Träumer und den Geträumten erzählen«, sagte Don Juan.
    »Wie du weißt, Carlitos«, sagte Don Genaro mit der Miene eines sich in Eifer redenden Volksredners, »beginnt der Doppelgänger im Träumen.«
    Er warf mir einen Blick zu und lächelte. Seine Augen glitten von meinem Gesicht zu meinem Schreibzeug hinab. »Der Doppelgänger ist ein Traum«, sagte er, kratzte sich unter dem Arm und stand auf.
    Er ging zum Rand des Vorplatzes und trat in den Chaparral hinaus. Er stand neben einem Busch, wobei er uns sein Profil zu drei Vierteln zeigte; anscheinend urinierte er. Im nächsten Augenblick bemerkte ich, daß mit ihm etwas nicht in Ordnung war. Offenbar versuchte er verzweifelt, zu urinieren, konnte aber nicht. Don Juans Lachen zeigte mir, daß Don Genaro wieder seine Possen trieb. Don Genaro wand und drehte sich so komisch, daß er Don Juan und mich zu hysterischem Gelächter reizte.
    Don Genaro kehrte zur Veranda zurück und setzte sich. Sein Lächeln strahlte eine seltsame Wärme aus. »Wenn's nicht geht, dann geht's halt nicht«, sagte er achselzuckend. Nach kurzer Pause fügte er seufzend hinzu: »Ja. Carlitos. der Doppelgänger ist ein Traum.«
    »Du meinst, er ist nicht real?« fragte ich. »Nein. Ich meine, er ist ein Traum«, erwiderte er. Don Juan mischte sich ein und erklärte. Don Genaro beziehe sich auf das erste Anzeichen der Erkenntnis, daß wir leuchtende Wesen seien.
    »Wir alle sind verschieden, und daher sind die Einzelheiten unserer Kämpfe verschieden«, sagte Don Juan. »Gleichwohl sind die Schritte, die wir tun müssen, um den Doppelgänger zu gewinnen, die gleichen. Besonders die ersten Schritte, die stets verworren und unsicher sind.«
    Don Genaro pflichtete ihm bei und sagte etwas über die Unsicherheit, die ein Zauberer auf dieser Stufe habe. »Als es mir zum erstenmal passierte, wußte ich nicht, daß es geschehen war«, erklärte er. »Eines Tages sammelte ich Kräuter im Gebirge. Ich war zu einer Stelle gegangen, die bereits von anderen Kräutersammlern abgesucht worden war. Ich hatte zwei große Säcke voll Kräuter bei mir. Ich war bereit, nach Hause zu gehen, aber vorher wollte ich noch eine kurze Rast machen. Ich legte mich am Wegrand in den Schatten eines Baumes und schlief ein. Ich hörte die Stimmen von Menschen, die den Berg herabkamen, und wachte auf. Schnell rannte ich in Deckung und versteckte mich hinter ein paar Büschen, nicht weit von der Straße entfernt, wo ich eingeschlafen war. Dort versteckt, hatte ich das peinigende Gefühl, ich hätte etwas vergessen. Ich schaute nach, ob ich meine beiden Kräutersäcke bei mir hatte. Sie waren nicht da. Ich spähte über die Straße zu dem Platz hinüber, wo ich geschlafen hatte, und da verlor ich vor Schreck fast die Hosen: Dort lag ich immer noch und schlief! Ich war es! Ich faßte meinen Körper an. Das war ich auch selbst! Inzwischen hatten die Leute, die den Berg herabkamen, mich, den Schlafenden, erreicht, während ich. der Hellwache, hilflos aus meinem Versteck hervorspähte. Zum Teufel! Gleich würden sie mich entdecken und mir meine Säcke wegnehmen. Aber sie gingen vorüber, als sei ich gar nicht dagewesen. Meine Vision

Weitere Kostenlose Bücher