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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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war so lebhaft, daß ich ganz außer mir geriet. Ich schrie, und dann wachte ich noch einmal auf. Verflucht! Es war ein Traum gewesen!«
    Don Genaro unterbrach seine Erzählung und schaute mich an. als warte er auf eine Frage oder einen Kommentar. »Sag ihm, wo du das zweite Mal aufgewacht bist«, sagte Don Juan. »Ich wachte neben der Straße auf«, sagte Don Genaro, »wo ich eingeschlafen war. Aber eine Weile wußte ich nicht recht, wo ich wirklich war. Fast möchte ich sagen, daß ich mir immer noch zuschaute, wie ich dort aufwachte. Dann zog irgend etwas mich an den Straßenrand, und ich saß da und rieb mir die Augen.«
    Es entstand eine lange Pause. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
    »Und was hast du dann getan?« fragte Don Juan. Als die beiden zu lachen anfingen, erkannte ich. daß er mich verulkte. Er imitierte meine Art, Fragen zu stellen. Don Genaro sprach weiter. Er sagte, er sei einen Augenblick verblüfft gewesen, und dann habe er sich darangemacht, alles zu überprüfen. »Die Stelle, wo ich mich versteckt hatte, war genauso, wie ich sie gesehen hatte«, sagte er. »Und die Leute, die auf der Straße an mir vorbeigegangen waren, befanden sich ganz in der Nähe. Das weiß ich, weil ich ihnen hinterherlief. Es waren die gleichen Leute, die ich gesehen hatte. Ich folgte ihnen, bis sie ins Dorf kamen. Sie müssen mich für verrückt gehalten haben. Ich fragte sie, ob sie meinen Freund am Straßenrand schlafen gesehen hätten. Alle verneinten dies.«
    »Du siehst«, sagte Don Juan, »wir alle machen die gleichen Zweifel durch. Wir fürchten uns. verrückt zu werden. Zu unserem Unglück sind wir natürlich alle bereits verrückt.«
    »Immerhin bist du ein bißchen verrückter als wir«, sagte Don Genaro und zwinkerte mir zu. »Und mißtrauischer.«
    Sie hänselten mich wegen meines Mißtrauens. Und dann sprach Don Genaro weiter.
    »Wir alle sind etwas schwer von Begriff«, sagte er. »Du bist nicht der einzige, Carlitos. Ein paar Tage lang war ich über meinen Traum erschrocken, aber dann mußte ich für meinen Lebensunterhalt arbeiten und mich um zu viele Dinge kümmern und hatte wirklich keine Zeit, über das Geheimnis meiner Träume nachzugrübeln. Daher vergaß ich es binnen kurzem. Darin war ich ganz wie du.
    Aber eines Tages, ein paar Monate später, nach einem furchtbar anstrengenden Tag, schlief ich am Nachmittag tief wie ein Bär. Es hatte gerade angefangen zu regnen, und ein Loch im Dach weckte mich auf. Ich sprang aus dem Bett und kletterte aufs Dach, um das Loch zuzustopfen, bevor es hereinregnete. Ich fühlte mich so wohl und stark, daß ich augenblicklich mit dieser Arbeit fertig war und nicht einmal naß wurde. Mein kurzes Nickerchen hatte mir, dachte ich, sehr gutgetan. Als ich fertig war, kehrte ich ins Haus zurück, um mir etwas zu essen zu holen, und da erkannte ich, daß ich nicht schlucken konnte. Ich glaubte, ich sei krank. Ich zerstampfte ein paar Wurzeln und Blätter, strich mir diese Paste um den Hals und ging zu meinem Bett. Und als ich vor dem Bett stand - da verlor ich beinahe wieder die Hosen. Ich lag im Bett und schlief, ich wollte mich wachrütteln, aber ich wußte, daß dies nicht das Richtige war. Also rannte ich aus dem Haus. Mich hatte die Panik gepackt. Ziellos streifte ich durch die Berge. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich lief, und obgleich ich mein ganzes Leben dort verbracht hatte, verirrte ich mich. Ich lief durch den Regen und spürte ihn nicht einmal. Mir war. als könne ich nicht denken. Dann wurden Blitz und Donner so heftig, daß ich davon abermals erwachte.« Er machte eine Pause. »Möchtest du wissen, wo ich aufwachte' 1 « fragte er mich. »Natürlich«, antwortete Don Juan. »Ich erwachte in den Bergen, im Regen«, sagte er. »Aber wieso wußtest du, daß du aufgewacht warst?« fragte ich.
    »Mein Körper wußte es«, erwiderte er. »Das war eine dumme Frage«, warf Don Juan ein. »Du weißt doch selbst, daß irgend etwas in einem Krieger sich stets jeder Veränderung bewußt ist. Es ist ja gerade das Ziel der Lebensweise des Kriegers, dieses Bewußtsein zu entwickeln und zu erhalten. Der Krieger pflegt es, poliert es und hält es in Schuß.«
    Er hatte recht. Ich mußte ihnen zugestehen, daß ich wußte, daß es irgend etwas in mir gab, das alles registrierte und sich all dessen, was ich tat, bewußt war. Und doch hatte dies nichts mit dem gewöhnlichen Bewußtsein meiner selbst zu tun. Es war etwas anderes, das ich nicht erfassen konnte. Vielleicht

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