Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten
aufzuheben, aber Don Genaro hinderte mich daran. Mit großer Kraft hielt er meinen Arm fest. Ich fuhr zurück, und dann stellte ich fest, daß er meinen Arm nur ganz leicht mit dem Finger berührt hatte. Kein Zweifel, er wußte, was er getan und was ich dabei empfunden hatte. Rasch zog er seinen Finger von meinem Arm zurück, und dann berührte er ihn wieder leicht. Dies wiederholte er noch einmal und lachte wie ein fröhliches Kind, als ich zusammenzuckte. Dann wandte er mir sein Profil zu. Seine Adlernase verlieh ihm das Aussehen eines Vogels, eines Vogels mit merkwürdigen langen, weißen Zähnen. Mit leiser Stimme befahl Don Juan mir, nichts anzufassen. Ich fragte ihn, ob er wisse, welche Feldfrucht hier angebaut worden sei. Er schien es mir schon sagen zu wollen, aber Don Genaro mischte sich ein und meinte, dies sei ein Feld von Würmern.
Don Genaro sah mich fest an, ohne ein Lächeln zu riskieren. Ich hielt Don Genaros sinnlose Antwort für einen Witz. Ich wartete auf ein Stichwort, um loszulachen, aber sie schauten mich bloß unverwandt an.
»Ein Feld voller prächtiger Würmer«, sagte Don Genaro. »Ja, was hier angepflanzt wurde, das waren die köstlichsten Würmer, die du je gesehen hast.« Er drehte sich zu Don Juan um. Sie warfen sich einen Blick zu.
»Ist es nicht so?« fragte er.
»Völlig richtig!« sagte Don Juan, und zu mir gewandt, fügte er leise hinzu: »Genaro führt heute Regie. Nur er kann sagen, was los ist. tu also genau, was er sagt!« Die Vorstellung, daß Don Genaro die Führung hatte, erfüllte mich mit Schrecken. Ich wandte mich an Don Juan, um ihm dies zu sagen. Aber noch bevor ich ein Wort sagen konnte, stieß Don Genaro einen unheimlichen Schrei aus. einen so lauten und furchterregenden Schrei, daß mein Genick sich versteifte und mir die Haare zu Berge standen, als ob der Wind sie zauste. Eine Sekunde lang verfiel ich in eine komplette Bewußtseinsspaltung, und ich wäre wie angewurzelt stehengeblieben, wäre nicht Don Juan dagewesen. der mit unglaublicher Schnelligkeit und Selbstbeherrschung meinen Körper umdrehte, so daß meine Augen eine unglaubliche Leistung erblicken konnten. Don Genaro stand waagerecht etwa dreißig Meter über dem Boden -auf dem Stamm eines etwa fünfzig Meter entfernten Eukalyptus. Das heißt, er stand mit leicht gespreizten Beinen im rechten Winkel zum Stamm. Es sah aus, als habe er Steighaken an den Füßen, mit deren Hilfe er der Schwerkraft trotzte. Er hatte die Arme über der Brust verschränkt und wandte mir den Rücken zu. Ich blickte starr zu ihm hin. Ich wollte nicht blinzeln, denn ich fürchtete, ihn aus dem Blick zu verlieren. Ich überlegte rasch und kam zu dem Schluß, daß ich, falls ich ihn im Auge behielt, vielleicht einen Hinweis, eine Bewegung, eine Gebärde oder irgend etwas entdecken könnte, das mir helfen würde zu verstehen, was hier vorging.
Ich spürte Don Juans Kopf neben meinem rechten Ohr und hörte, wie er mir zuflüsterte, daß jeder Versuch einer Erklärung sinnlos und idiotisch sei. Ich hörte ihn wiederholt sagen: »Preß deinen Bauch runter, runter!«
Es handelte sich dabei um eine Technik, die er mich vor Jahren gelehrt hatte und die in Augenblicken großer Gefahr. Angst oder Belastung einzusetzen ist. Sie besteht darin, daß man das Zwerchfell hinabdrückt, während man vier rasche Atemzüge durch den Mund tut, gefolgt von viermaligem tiefem Ein- und Ausatmen durch die Nase. Er hatte mir erklärt, man müsse die raschen Atemzüge wie Schläge in die Körpermitte empfinden und dabei die Hände, fest zu Fäusten geballt, gegen den Nabel drücken, was die Körpermitte stärken und mithelfen würde, die Atemzüge und das tiefe Luftholen zu kontrollieren, wobei man bei hinuntergepreßtem Zwerchfell die Luft anhalten und bis acht zählen müsse. Das Ausatmen hatte zweimal durch die Nase und zweimal durch den Mund zu geschehen, und zwar schnell oder langsam, je nach Belieben. Ich gehorchte ganz automatisch. Ich wagte es aber nicht, den Blick von Don Genaro abzuwenden. Während ich weiter atmete, entspannte sich mein Körper, und ich bemerkte, daß Don Juan sich an meinen Beinen zu schaffen machte. Als er mich vorhin umgedreht hatte, war mein rechter Fuß anscheinend an einem Erdklumpen hängengeblieben, und mein Bein war in unbequemer Haltung abgewinkelt. Nachdem er es gerade gestellt hatte, wurde mir klar, daß der Schock. Don Genaro in dieser Haltung am Baumstamm zu sehen, mich unempfindlich gegen meine unbequeme Lage
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