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Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Titel: Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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klammern, wenn sie streiten und sich gegenseitig halb umbringen.«
    »Aber solltet ihr alle nicht eigentlich mit Pablito, Nestor und Benigno zusammenarbeiten?«
    »Genaro und der Nagual haben uns aufgetragen, harmonisch zusammenzuleben und einander zu helfen und zu beschützen, weil wir allein in der Welt stehen. Pablito wurde die Verantwortung für uns vier Frauen übertragen, aber er ist ein Feigling. Wenn es nach ihm ginge — er würde uns verrecken lassen wie junge Hunde. Ja, als der Nagual noch bei uns war, da war Pablito sehr nett und sorgte gut für uns. Alle hänselten ihn und machten Witze, weil er für uns sorgte, als ob wir seine Frauen wären. Kurz bevor Genaro und der Nagual uns verließen, sagten sie ihm, er habe eine echte Chance, eines Tages der Nagual zu sein, weil wir seine vier Winde, seine vier Ecken der Welt werden könnten. Pablito faßte dies als seine Aufgabe auf, und von dem Tag an veränderte er sich. Er wurde unleidlich. Er fing an uns herumzukommandieren, als ob wir wirklich seine Frauen wären. Ich fragte den Nagual, wie es nun mit Pablitos Chance sei, und er sagte mir, daß in der Welt eines Kriegers alles von persönlicher Kraft abhängig ist. Und persönliche Kraft beruht auf >Makellosigkeit<. Wäre Pablito makellos, dann hätte er eine Chance. Als ich das hörte, mußte ich lachen. Weißt du, ich kenne Pablito sehr gut. Aber der Nagual erklärte mir, ich dürfe das nicht so leicht nehmen. Ein Krieger, sagte er, hat immer eine Chance, und mag sie noch so gering sein. Er ließ mich erkennen, daß ich selbst eine Kriegerin war und daher Pablito nicht mit meinen Gedanken behindern durfte. Er sagte, ich müsse diese Gedanken abstellen und Pablito in Ruhe lassen; ich müsse selbst makellos sein und Pablito helfen, trotz allem, was ich über ihn wußte. Ich verstand, was der Nagual meinte. Außerdem stand ich noch immer in Pablitos Schuld, und ich freute mich über die Gelegenheit, ihm zu helfen. Aber ich wußte auch, daß er scheitern würde, mochte ich ihm noch so viel helfen. Ich weiß schon lange, daß er nicht das hat, was man braucht, um der Nagual zu sein. Pablito ist sehr kindisch, und er will seine Niederlage nicht akzeptieren. Er fühlt sich elend, weil er nicht makellos ist, und doch versucht er in seinen Gedanken noch immer wie der Nagual zu sein.«
    »Wie kam es, daß er scheiterte?«
    »Der Nagual hatte uns eben verlassen, da hatte Pablito einen tödlichen Zusammenstoß mit Lidia. Vor Jahren hatte der Nagual ihm auf getragen, nach außen hin Lidias Ehemann zu spielen - nur zum Schein. Die Leute hier in der Gegend glaubten, sie sei seine Frau. Lidia gefiel das gar nicht. Sie ist sehr hart und selbstbewußt. Um die Wahrheit zu sagen, Pablito hatte immer höllische Angst vor ihr. Sie kamen nicht miteinander aus, und sie duldeten einander nur, weil der Nagual da war. Aber als er fort war, wurde Pablito noch verrückter, als er sowieso schon war, und setzte sich in den Kopf, er habe genügend persönliche Kraft, um uns als Frauen zu nehmen. Die drei Genaros setzten sich zusammen und beratschlagten, was Pablito tun könne, und da kamen sie zu dem Schluß, daß Pablito die selbstbewußteste Frau zuerst nehmen solle, nämlich Lidia. Sie warteten, bis sie allein im Haus war, und dann stürzten sie sich zu dritt auf sie, packten sie an den Armen und warfen sie aufs Bett. Pablito stürzte sich auf sie. Zuerst glaubte sie, daß die Genaros nur scherzten. Als sie aber erkannte, daß sie es ernst meinten, rammte sie ihren Kopf gegen Pablitos Stirn und brachte ihn beinah um. Die Genaros ergriffen die Flucht, und Nestor mußte monatelang Pablitos Wunde pflegen.«
    »Kann ich denn etwas für sie tun, damit sie besser verstehen?«
    »Nein. Das Verstehen ist unglücklicherweise nicht ihr Problem. Alle sechs verstehen sehr gut. Die eigentliche Schwierigkeit ist etwas andres, etwas sehr Häßliches, womit keiner von ihnen fertig wird. Sie lassen sich gehen, denn sie versuchen nicht, sich zu ändern. Da sie wissen, daß sie es nicht schaffen werden, sich zu ändern, egal wie sehr sie's versuchen, selber wollen oder sogar nötig haben, verzichten sie überhaupt darauf, es auch nur zu versuchen. Sie sind so sehr im Irrtum, daß sie sogar über unser Scheitern enttäuscht sind. Der Nagual hat jedem von ihnen gesagt, daß Krieger - egal ob Männer oder Frauen - makellos sein müssen in ihrem Bemühen, sich zu ändern, um die menschliche Form zu schrecken und sie abzuschütteln. Nach Jahren des

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