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Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Titel: Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Pablito.
    Meine erste Reaktion auf seine Wort war, daß ich mich verstellte und ihm versicherte, ich sei überhaupt nicht enttäuscht. »Ich bin ein Zauberer«, sagte er lachend, »vielleicht ein armseliger, aber immerhin genug um zu wissen, was mein Körper mir sagt. Und er sagt mir eben, daß du böse auf mich bist.«
    »Ich bin dir nicht böse, Pablito!« rief ich. »Das sagt dein Verstand, nicht aber dein Körper«, meinte er. »Dein Körper ist mir böse. Dein Verstand dagegen findet keinen Grund, auf mich wütend zu sein. Daher bist du in der Zwickmühle. Eines wenigstens kann ich für dich tun, nämlich dir diese Verwirrung erklären. Dein Körper ist böse, weil er weiß, daß ich nicht makellos bin und daß nur ein makelloser Krieger dir helfen kann. Dein Körper ist böse, weil er spürt, daß ich mich verplempere. Das alles wußte ich schon, als ich durch die Tür trat.« Darauf wußte ich nichts zu sagen. Auf einmal kam mir eine wahre Flut nachträglicher Erkenntnisse. Vielleicht hatte er recht, wenn er sagte, daß mein Körper all dies wisse. Jedenfalls hatte seine Direktheit, mit der er meine Gefühle ansprach, meinem Ärger die Schärfe genommen. Ich überlegte allmählich, ob Pablito nicht nur ein Spiel mit mir spielte. Ich hielt ihm vor, er könne doch unmöglich so schwach sein, wie er sich mir darstellte, wenn er andrerseits so direkt und mutig zu mir sprechen könne. »Meine Schwäche liegt darin, daß ich zur Sehnsucht veranlagt bin«, sagte er beinah flüsternd. »Ich bin schon fast so weit, wo ich mich nach meinem früheren Leben als gewöhnlicher Mensch sehne. Kannst du das glauben?«
    »Das meinst du nicht ernst, Pablito!« rief ich. »Doch«, erwiderte er.
    »Ich sehne mich nach dem großen Privileg, als gewöhnlicher Mann, ohne diese furchtbare Bürde, über das Antlitz der Erde zu wandern.«
    Ich fand seinen Standpunkt einfach grotesk und rief immer wieder aus, er könne so was doch nicht allen Ernstes sagen. Pablito sah mich an und seufzte. Auf einmal fühlte ich mich ihm gegenüber befangen. Er schien im Begriff, in Tränen auszubrechen. Meine Befangenheit wich einem tiefen Mitgefühl. Keiner von uns konnte dem anderen helfen.
    In diesem Moment kam la Gorda in die Küche zurück. Pablito schien sofort zu neuem Leben erwacht. Er sprang auf und stampfte mit dem Fuß auf.
    »Was zum Teufel hast du hier verloren?« schrie er mit schriller, nervöser Stimme. »Was schnüffelst du hier herum?« La Gorda wandte sich an mich, als ob er gar nicht existierte. In höflichem Ton sagte sie, sie habe die Absicht, zu Dona Soledad zu gehen.
    »Was zum Teufel kümmert es uns, wohin du gehst!« brüllte er. »Meinethalben geh zur Hölle!«
    Wie ein unartige Kind stampfte er auf den Boden, während la Gorda lachend dabei stand.
    »Laß uns aus diesem Haus verschwinden, Maestro«, sagte er laut.
    Sein plötzlicher Stimmungswandel von tiefer Traurigkeit zu diesem Wutausbruch faszinierte mich. Ich überließ mich ganz dem Eindruck und beobachtete ihn. Eine Eigenschaft, die ich immer an ihm bewundert hatte, war seine physische Gewandtheit. Selbst wenn er, wie jetzt, trotzig auf den Boden stampfte, waren seine Bewegungen sehr anmutig.
    Plötzlich langte er über den Tisch und versuchte mir meinen Schreibblock aus der Hand zu reißen. Er packte ihn nur mit Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand. Ich dagegen mußte ihn mit beiden Händen festhalten und alle Kraft aufbieten. Sein Griff war so außerordentlich kraftvoll, daß er mir den Block, wenn er nur wollte, leicht hätte entreißen können. Aber er ließ ihn los, und als er die Hand zurückzog, sah ich - als flüchtige Erscheinung - eine Verlängerung dieser Hand. Es geschah so rasch, daß ich mir den Vorgang als eigne Wahrnehmungsstörung hätte erklären können: als Folge der ruckartigen Bewegung, mit der ich, gezogen von seinem kraftvollen Griff, halb aufgestanden war. Aber ich hatte schon gelernt, daß mein gewohntes Verhalten diesen Menschen gegenüber fehl am Platze war; auch konnte ich die Geschehnisse nicht auf meine gewohnte Weise erklären. Also versuchte ich es diesmal erst gar nicht.
    »Was ist das da an deiner Hand, Pablito?« fragte ich. Er fuhr überrascht zurück und versteckte seine Hand hinter dem Rücken. Er machte ein nichtssagendes Gesicht und murmelte, er wolle dieses Haus verlassen, weil ihm schwindlig sei. La Gorda lachte laut auf und meinte, Pablito sei ein ebenso guter, vielleicht gar ein besserer Schauspieler als Josefina; und

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