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Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Titel: Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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bemerkte er, daß unsre Marktbude wackelte. Er betrachtete den Stand aufmerksam, aber er sah nur die Schwester, die schläfrig auf einem Stuhl saß. Der Kräuterhändler erzählte Genaro, daß der Stand jeden Tag um diese Zeit wackelte. Am nächsten Tag brachte Genaro den Nagual mit, um ihm den wackelnden Marktstand zu zeigen, und natürlich wackelte er auch an diesem Tag. Auch am nächsten Tag kamen sie wieder, und wieder wackelte er. Sie warteten also, bis ich herauskam. An diesem Tag machte ich ihre Bekanntschaft, und bald darauf erzählte Genaro mir, daß er ein Kräuterkundiger sei, und er bot mir an, mir einen Trank zu brauen, dem keine Frau widerstehen könne. Ich liebte die Frauen, also ging ich darauf ein. Natürlich hat er mir den Trank gebraut, aber es dauerte zehn Jahre. Inzwischen lernte ich ihn sehr gut kennen, und schließlich liebte ich ihn mehr als einen Bruder. Und jetzt vermisse ich ihn so schmerzlich. Du siehst also, wie er mich reingelegt hat. Manchmal bin ich froh, daß er es tat. Meistens aber bin ich darüber unglücklich.«
    »Don Juan hat mir erzählt, daß die Zauberer auf ein Omen warten, bevor sie einen als Schüler wählen. Gab es bei dir so etwas, Pablito?«
    »Ja. Genaro erzählte mir, er sei neugierig geworden, als er die Marktbude wackeln sah, und dann habe er gesehen, wie zwei Menschen sich unter der Theke liebten. Da setzte er sich hin um zu warten, bis die beiden herauskämen; er wollte sehen, wer es wohl sei. Nach einer Weile tauchte das Mädchen hinter dem Stand auf, mich aber verpaßte er. Es kam ihm sehr merkwürdig vor, daß er mich verpaßt hatte, nachdem er doch so fest entschlossen war, mich in Augenschein zu nehmen. Am nächsten Tag kam er mit dem Nagual wieder. Auch dieser sah, daß da zwei Leute Liebe machten, aber als sie sich anschickten, mich zu erwischen, verpaßten sie mich wieder. So kamen sie am nächsten Tag noch einmal. Genaro stellte sich hinter die Bude, während der Nagual vorn blieb. Als ich hinauskroch, stieß ich direkt mit Genaro zusammen. Ich meinte aber, er habe mich nicht gesehen, weil ich mich noch hinter der Stoffbahn befand, die ich als Tarnung vor der kleinen viereckigen Öffnung in der Rückwand angebracht hatte. Ich fing also an zu bellen, damit er glauben sollte, es sei nur ein kleiner Hund, was sich da hinter dem Vorhang bewegte. Er knurrte und bellte zurück, und ich glaubte tatsächlich, daß da draußen ein großer böser Hund sei. Da bekam ich es so mit der Angst zu tun, daß ich schleunigst auf der andren Seite hinausschlüpfte - und direkt mit dem Nagual zusammenstieß. Wäre er ein gewöhnlicher Mensch gewesen, dann hätte ich ihn, schnell wie ich war, über den Haufen gerannt; so aber hob er mich wie ein ' Kind in die Luft. Ich war völlig verwirrt. Für einen so alten Mann war er wirklich stark. Einen so starken Mann, glaubte ich, könnte ich gut als Gehilfen brauchen. Er konnte Holz für mich schleppen. Außerdem wollte ich, nachdem er mich so unter der Theke hatte herausschlüpfen sehen, nicht das Gesicht vor ihm verlieren. Also fragte ich ihn, ob er Lust hätte, für mich zu arbeiten. Er sagte ja. Noch am gleichen Tag kam er mit in die Werkstatt und fing an, als mein Gehilfe zu arbeiten. Er arbeitete Tag für Tag, zwei Monate lang. Gegen diese beiden Teufel hatte ich keine Chance.«
    Die ungewöhnliche Vorstellung, wie Don Juan da für Pablito schuftete, kam mir sehr spaßig vor. Pablito ahmte Don Juan nach, wie er Baumstämme auf der Schulter astete. Ich mußte la Gorda recht geben - Pablito war ein ebenso guter Schauspieler wie Josefina.
    »Warum aber machten sie sich all die Mühe, Pablito?«
    »Sie mußten mich durch einen Trick gewinnen. Du glaubst doch nicht etwa, ich wäre einfach so mit ihnen gegangen? Ich hatte mein Leben lang diese Geschichten über Zauberer und Heiler und Hexen und Geister gehört, und ich glaubte kein Wort davon. Leute, die solche Sachen erzählten, waren für mich einfach Dummköpfe. Hätte Genaro mir gesagt, daß er und sein Freund Zauberer waren, dann hätte ich mich nicht weiter um sie gekümmert. Aber sie waren zu schlau für mich. Die beiden alten Füchse waren wirklich schlau. Sie hatten es nicht eilig. Genaro sagte, er hätte auf mich gewartet, auch wenn es zwanzig Jahre dauern sollte. Das ist auch der Grund, warum der Nagual für mich arbeitete. Ich hatte ihn ja darum gebeten, also war eigentlich ich es, der ihnen den Schlüssel in die Hand gab. Der Nagual war ein geschickter Arbeiter. Ich war

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