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Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Titel: Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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nur dann eine Chance, dem Angriff dieser furchtbaren Hexe zu entrinnen, wenn es mir gelänge, die vier Winde zu bändigen und sie zu meinen vier Ecken der Welt zu machen. Das ist mir nicht gelungen. Diese Frauen steckten mit der Hexe Soledad unter einer Decke und wollten mir nicht helfen. Sie wollten meinen Tod.
    Falls ich scheitern sollte, sagte der Nagual, hättest auch du keine Chance. Und falls sie dich töten sollte, müßte ich fliehen und um mein Leben laufen. Aber der Nagual bezweifelte, ob ich überhaupt bis zur Straße kommen würde. Er sagte, daß diese Hexe mit deiner Kraft und mit allem, was sie bereits weiß, ganz unüberwindlich sein würde. Als es mir daher nicht gelang, die vier Winde zu bändigen, betrachtete ich mich als tot. Und natürlich habe ich diese Frauen gehaßt. Aber heute bringst du nur neue Hoffnung.«
    Ich sagte ihm, wie tief ich seine Gefühle für seine Mutter nachempfinden könne. Ich war wirklich erschrocken über all das, was ihm widerfahren war, aber ich bezweifelte stark, ob ich ihm irgendwelche Hoffnung bringen konnte.
    »Doch, das hast du!« rief er mit großer Überzeugung. »Du ahnst nicht, wie furchtbar ich mich all die Zeit gefühlt habe. Wenn die eigene Mutter mit der Axt auf dich losgeht, dann hast du keinen Grund, glücklich zu sein. Aber jetzt ist sie aus dem Weg - dank dir, was immer du getan hast.

Diese Frauen hassen mich, weil sie davon überzeugt sind, daß ich ein Feigling bin. Es will ihnen einfach nicht in ihren sturen Kopf, daß wir anders sind. Du und diese vier Frauen, ihr seid in einer wichtigen Hinsicht anders als ich und der Zeuge und Benigno. Ihr fünf wart alle ziemlich tot, bevor der Nagual euch traf. Er hat uns gesagt, daß du sogar einmal versucht hast dich umzubringen. Bei uns aber war es anders. Wir waren froh und lebendig und glücklich. Wir sind das Gegenteil von euch. Ihr seid verzweifelte Menschen; wir nicht. Wäre ich nicht Genaro über den Weg gelaufen, dann wäre ich heute ein glücklicher Zimmermann. Oder vielleicht wäre ich auch schon gestorben. Ist ja egal. Ich hätte auf jeden Fall mein Bestes getan, und alles wäre gut gewesen.« Seine Worte stürzten mich in eine seltsame Stimmung. Ich mußte zugeben, daß er insofern recht hatte, als wir, diese Frauen und ich, tatsächlich verzweifelte Menschen waren. Wäre ich nicht Don Juan begegnet, dann wäre ich zweifellos schon tot, aber ich konnte nicht - wie Pablito - behaupten, daß es so oder anders gut für mich gewesen wäre. Don Juan hatte meinem Körper Leben und Kraft und meinem Geist Freiheit gegeben. Pablitos Erzählung brachte mir etwas in Erinnerung, das Don Juan mir einmal gesagt hatte, als wir über einen alten Mann, einen Freund von mir, sprachen. Don Juan hatte damals mit allem Nachdruck festgestellt, daß Leben oder Tod dieses alten Mannes keinerlei Bedeutung hätten. Ich war ein wenig verärgert über diese, wie mir schien, überflüssige Behauptung Don Juans. Ich erwiderte ihm, es verstünde sich doch von selbst, daß Leben oder Tod des Alten bedeutungslos seien, denn für jeden von uns habe eben nur das Bedeutung, was uns persönlich betrifft. »Du sagst es!« rief Don Juan lachend. »Genau das meine ich. Leben und Tod dieses alten Mannes haben für ihn persönlich keine Bedeutung. Er hätte 1929 oder 1950 sterben oder bis 1995 leben können. Das ist egal. Alles ist ihm trostlos egal.« Aber so war auch mein Leben gewesen, bevor ich Don Juan getroffen hatte. Nichts hatte mir je etwas bedeutet. Natürlich tat ich so, als beträfen mich manche Dinge, aber dies war nur eine kalkulierte List, um als sensibler Mensch dazustehen. Pablito sprach mich an und unterbrach meine Gedanken. Er wollte wissen, ob er meine Gefühle verletzt habe. Keineswegs, versicherte ich ihm. Um das Gespräch wieder in Gang zu bringen, fragte ich ihn, wo er Don Genaro getroffen habe. »Mein Schicksal war, daß mein Meister krank wurde. So mußte ich statt seiner auf den Markt in der Stadt gehen, um ein paar neue Verkaufsbuden zu bauen. Zwei Monate arbeitete ich dort. Während meines Aufenthalts in der Stadt lernte ich die Tochter des Besitzers einer der Buden kennen. Wir verliebten uns. Ich baute den Stand ihres Vaters ein wenig größer als die übrigen, damit wir uns unter der Theke lieben konnten, während ihre Schwester die Kunden bediente.
    Eines Tages kam Genaro und brachte einen Sack voll Heilkräutern zu einem Händler, der gegenüber seinen Stand hatte, und während sie miteinander sprachen,

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