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Don Juan de la Mancha

Don Juan de la Mancha

Titel: Don Juan de la Mancha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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es, sagte ich, ich bin nicht der Schah.
    Sie sah im Telefonbuch nach. Die Arzte im Bezirk. Wer macht Hausbesuche? Sie fand einen, der bereit war zu kommen.
    Ein Wunderheiler: Der Arzt befreite mich von meiner Frau, und ich war gesund. Martina bekam mit diesem Doktor vier Kinder und wurde glücklicher, als sie es mit mir je geworden wäre. Es gab nur einen kleinen Schönheitsfehler: Martina war so schön, so unglaublich schön, als sie mir ihre Liebe zu diesem Arzt gestand und mich um die Scheidung bat. Ich glaube, ich habe nie so starke Gefühle für sie empfunden als an dem Tag, an dem sie mich endlich verließ.
    23.
    Weil ich Tante Lia erwähnt hatte. Sie starb just in dieser Zeit, als sich Martina und ich trennten. In ihrem Testament hatte sie verfügt, dass ich ihre Briefmarkensammlung erbe. Ich musste bei einem Notar etwas unterschreiben, bekam ein kleines Paket ausgehändigt. Das Briefmarkenalbum. Darin vier österreichische Marken und eine Ansichtskarte aus Tel Aviv, auf der stand: »Öfter hast Du nicht geschrieben! Dir möcht ich beibringen Familiensinn! Deine Dich liebende Tante Lia.«
    24.
    Ich kam mit meiner Reportage nicht weiter. Wenn ich schrieb, dann schrieb ich Liebesbriefe. Eine Therapiestunde bei Hannah sagte ich kurzfristig ab.
    Sie wissen, Nathan, dass Sie die Stunde trotzdem bezahlen müssen, so Hannah am Telefon.
    Nicht bei höherer Gewalt, sagte ich, ich bin krank.
    Machen Sie mir und sich selbst nichts vor, Nathan. Jeder, der zu mir kommt, ist krank, sagte Hannah, nur plötzliche Gesundheit wäre höhere Gewalt.
    Entnervt legte ich auf. Wenn ich eine Stunde absagte, merkte sie augenblicklich, dass ich log. Aber in den Therapiesitzungen selbst glaubte sie mir jedes Wort. Ich konnte ihr erzählen, was ich wollte, Erinnerungen erfinden, Erlebnisse ausschmücken, seelische Schmerzen übertreiben – was heißt übertreiben? Behaupten! Nur weil sie erzähltechnisch die logische Konsequenz einer Erfahrung waren, die ich auf Hannahs Sofa phantasiert hatte. Immer ging sie mit meinen Erzählungen um, als wäre sie eine Naturwissenschaftlerin, die pragmatisch einen realen Zellhaufen durch das Mikroskop betrachtet. Für sie waren meine Lügen objektiv existierendes Material, das sie interpretierte und analysierte – aber weder Seele noch Phantasie sind Zellhaufen, das ist ja das Problem. Wie konnte ich einer Therapeutin vertrauen, die mir glaubte? Wie sollte da jemals die Wahrheit an den Tag kommen?
    Zum Beispiel die Geschichte mit dem Rasierapparat.
    Die ist gar nicht wahr?, fragte Christa.
    Ich weiß nicht, ob sie wahr ist, sagte ich. So ähnlich wird es wohl gewesen sein. Ungefährlich, ich meine ungefähr. Keine Ahnung, wie es wirklich war. Ich weiß nur, dass ich an diese Geschichte gut fünfunddreißig Jahre nicht mehr gedacht habe, also konnte sie nicht so traumatisch gewesen sein. Aber plötzlich war sie im Gespräch mit Hannah da, wie in einem Nebel, in den ich blind hineingriff, aber ich erzählte sie, als wäre sie eine ganz konkrete Erinnerung, die mich seither unablässig gequält hat. Und genau das ist sie nicht.
    Na und? Alles, was du erzählst, phantasierst, erfindest, sagt etwas über dich aus. Weil nur du es so erfinden kannst. Das ist das Objektive daran. Ich meine, ich bin keine Therapeutin, aber ich stelle mir vor, dass Therapeuten das so sehen: Du bist, was du erzählst.
    Ja und nein. Der Marxer Keller.
    Was ist damit?
    Den hat es nie gegeben.
    Du hattest gar keine Studentenwohnung?
    Doch. Aber keine Souterrainwohnung. Glaubst du im Ernst, dass ich einen feuchten Keller miete, um von zu Hause wegzukommen? Ich hatte eine ganz normale kleine Wohnung im zweiten Stock.
    In der Marxergasse?
    Nein. In der Lassallestraße. Durch die Marxergasse fahre ich immer auf dem Weg zu Hannah.
    Und warum hast du –
    Das hast du doch gesagt: Ich bin, was ich erzähle! Vielleicht ist der Marxer Keller ein Bild dafür, wie ich mich damals gefühlt habe. Oder dafür, was ich fühle, wenn ich an damals denke. Die Lehrjahre der Lust. Irgendwie unter Tag. Dunkel. Feucht. Und nicht auf Augenhöhe mit dem sozialen Leben der anderen.
    Liebst du mich?
    Ja.
    Begehrst du mich?
    Ja.
    Ich glaube dir nicht. Du bist ein Lügner. Du sagst das nur, weil es in deine Geschichte passt!
    25.
    Deshalb also schrieb ich wieder einmal Liebesbriefe. So abgebrüht und pragmatisch Christa in unserem Verhältnis auch war, von Zeit zu Zeit liebte sie es, so zu tun, als wären wir ein normales neurotisches Liebespaar. Dann fand

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