Don Juan de la Mancha
geht.
Sie sah mich überrascht an. Ich hielt ihrem Blick lange stand, bis sie sagte: Na gut!
Ich durfte ohne Krawatte nicht hinein. Ich wollte schon randalieren, da bot man mir eine Leihkrawatte an. Für fünfzig Schilling Einsatz. Wir betraten den Saal mit den Roulette-Tischen. Ich war sofort verschwunden, ohne mich länger um Anne zu kümmmern, saß an einem Tisch und begann zu setzen. Ich war so sicher. Ich war so verzweifelt. Ich weiß nicht mehr, wie viel Bargeld ich dabeihatte, es war nach wenigen Minuten weg. Ich hatte Schecks mit. Man konnte einen Scheck auf zweitausendfünfhundert Schilling ausstellen. Ich stellte drei Schecks aus. Ich hatte drei Schecks. Ich konnte nicht fassen, dass nicht einmal die kleinen Chancen funktionierten. Es kam Rot, wenn ich auf Schwarz setzte, und umgekehrt. Ich hatte nichts mehr. Einen letzten Jeton im Wert von hundert Schilling und die schrille Verzweiflung: Anne. Ich warf den Jeton auf den Tisch, sagte großspurig, aber mit kleinlauter Stimme, zum Croupier: Zero.
Zero kam. Der Croupier wollte mir den Gewinn zuschieben. Da stand plötzlich Anne neben mir. Ich sagte: Liegen lassen. Auf Zero? Ja. Der spitze Schrei einer Dame. Ein alter Mann neben mir sagte: Warum tun Sie das? Sie verbrennen Ihren Gewinn! Er hatte entzündete Augen, so rot wie Stopp-Lichter. Ich habe das bei Dostojewski gelesen, sagte ich. Anne lachte auf. Sie war nicht die, die jetzt die Handtasche öffnete, meinen Gewinn hineinstreifte und in Sicherheit brachte. Sie hatte gar keine Handtasche. Sie biss mir ins Ohrläppchen und flüsterte: Du bist wunderbar!
Ich wusste, wenn jetzt noch einmal Zero kommt, dann geht Anne mit mir, wohin auch immer. So nahe dran war ich am Glück.
Es kam Sechsundzwanzig. Anne lachte.
Ich hatte keinen Groschen und keinen Scheck mehr. Ich hatte kein Geld mehr, um nach Hause zu fahren. Zu Martina. Wo ich hinmusste.
Wir wurden beim Ausgang aufgehalten. Die Krawatte! Ach ja. Ich nahm sie ab und bekam den Einsatz von fünfzig Schilling zurück. Ich sah den Geldschein an, dann Anne.
Ein Jeton, sagte sie, oder ein Liter Wein.
Jeton, sagte ich, bekomme ich nur mit Krawatte. Also: ein Liter Wein!
Wir gingen in eine Weinstube, waren am Ende betrunken und ich pleite. Ich wollte sie küssen, ich wollte sie angreifen. Sie studierte jetzt brav Medizin, war verlobt mit einem Medizinstudenten. Ich legte den Arm um ihre Schultern und – sie sagte: Du bist verheiratet. Du musst jetzt brav nach Hause zu deiner Martina.
Martina hatte zwei Gesichter. Ein vergnügtes und ein entschlossenes. Wenn sie nach der Arbeit mit Einkäufen heimkam und etwas kochte. So vergnügt. Sie machte »uns einen schönen Abend«. Sie sagte Sätze, die ich nur aus amerikanischen Liebesfilmen kannte, »Wie war dein Tag?« zum Beispiel. Und ihre Entschlossenheit, wenn wir über die Zukunft sprachen. Sie sprach gerne von der Zukunft. Die Zukunft war der Schritt von der falschen Sonne ins wahre Licht. Ich müsse nun zügig das Studium abschließen. Dann würden wir uns eine bessere Wohnung leisten können. Wir werden es schaffen. Und Kinder. Natürlich Kinder. Ich fragte mich, ob sie an die unbefleckte Empfängnis glaubte. Aber sie war entschlossen, und wenn sie entschlossen ihre Pläne wälzte, auch gleich wieder vergnügt. In keines ihrer beiden Gesichter konnte ich die Wahrheit hineinsagen: Ich will da raus. Ich will weg! Unsinn, wohin? Nein, nicht weg, sondern: Ich will, dass du gehst!
Dass du gehst. Es gab keine andere Möglichkeit: Ich musste es irgendwie schaffen, dass sie mich verließ. Ich würde nur dann nicht das Arschloch sein, wenn es mir gelang, das Opfer zu sein.
Ich stand tage –, wochenlang auf dem Stuhl und rauchte durch den Spalt des Kippfensters. Alle Frauenbeine da draußen vor dem Fenster schienen auf Wolken zu gehen.
Eines Tages legte ich mich mit hohem Fieber ins Bett. Ich hatte keine anderen Symptome, nur dies: hohes Fieber. Zwischen 39 und 40 Grad. Als Martina nach Hause kam. Als sie am nächsten Tag zur Arbeit ging. Als sie wieder nach Hause kam. Ich fieberte und schwitzte unser schönes Federbett nass. Entschlossen verabreichte mir Martina »Hausmittel«. Sie wickelte in Essig getränkte Tücher um meine Füße. Flößte mir heißen Zitronensaft ein. Das Fieber sank nicht. Martina litt. Sie wurde nervös. Wir müssen einen Arzt rufen, sagte sie. Ich hätte ihr doch einmal erzählt, dass ich eine Freundin gehabt habe, deren Vater Arzt sei, sagte sie. Ob der nicht kommen würde?
Vergiss
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