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Don Juan de la Mancha

Don Juan de la Mancha

Titel: Don Juan de la Mancha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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deshalb nie glücklich geworden. Jedenfalls: gut, Monterosso. Mit dem Hochzeitsgeschenk-Auto. Wir brachen viel später auf, als wir geplant hatten. Auf der Autobahn Höhe Salzburg waren wir bereits todmüde. Wir beschlossen, in Salzburg abzufahren, ein Zimmer zu nehmen und am nächsten Tag die Reise ausgeruht fortzusetzen.
    Hochzeitsnacht in Salzburg. Wir fanden gleich nach der Autobahnausfahrt ein preisgünstiges Hotel. Martina ging ins Bad. Ich begann einen Joint zu drehen. Martina kam aus dem Bad, sah, was ich tat, riss mir den Joint aus der Hand, raffte alles an sich, was an Stoff da war und vor mir auf dem Tisch lag, rannte ins Bad, ich lief ihr nach, sie warf es ins Klo, spülte.
    Spinnst du? Was soll das?
    Wir sind jetzt erwachsen. Darf ich dich daran erinnern: Wir haben heute geheiratet. Jetzt ist Schluss mit diesen Kindereien.
    Dann nahm sie Handtücher, legte sich ins Bett und begann die Handtücher um ihre Knie zu wickeln.
    Was machst du da?
    Mir tun die Knie weh, sagte sie. Von der Autofahrt. Oder der Kälte. Sie tun so weh.
    Das war die Hochzeitsnacht. Ganz erwachsen.
    Vor dem Standesamt hatte Vater mich noch gefragt: Ist sie deine Erste?
    Nein, hatte ich gesagt. Er: Und eindeutig nicht deine Letzte! Du weißt, was du tust? Ich: Mach dir keine Sorgen!
    Aber: Habe ich das wissen können? Dass man, wenn man eine Frau heiratet, plötzlich, kaum hat man Ja gesagt, mit einer ganz anderen verheiratet ist. Gilt das Ja dann noch? Ich hatte eine kiffende Frau unter einem Che-Guevara-Poster geheiratet und hatte nun das Imitat einer erwachsenen Gattin vor mir liegen, in einem Hotel unterhalb eines Autobahnknotens. Fremde. In der Hochzeitsnacht endete bereits diese Ehe. Die Sonne über Monterosso war aprilkalt, wie festgenagelt auf dem Himmel. Schlimmes Kind. Puppe kaputt. Gleich nach der Rückkehr nach Wien begann ich an der Scheidung zu arbeiten.
    22.
    Das hatte ich jetzt gelernt. Man kann kein Mensch sein ohne einen anderen Menschen. Und: Ich wollte allein sein. Ich empfand das nicht als Widerspruch. Ich wollte mich wieder unbehelligt unter Menschen begeben. Allein. Die Frage war nur. Wie kam ich aus dieser Ehe raus, ohne schuld zu sein. Ich meinte das nicht im juristischen Sinn, aus Angst, dass ich zu Unterhaltszahlungen verurteilt werden könnte, wenn ich schuldig geschieden werde. Martina arbeitete. Sie verdiente mehr Geld, als ich Stipendium hatte. Nein, ich meinte das ganz unschuldig: ich wollte nicht das Arschloch sein. Schuld an Krisen und Tränen und Seelenschmerzen einer Frau, der man doch wirklich nichts vorwerfen konnte, Schuld an Konflikten und Verwirrungen in der Familie und im Freundeskreis. Martina bemühte sich, eine gute Gattin zu sein. Sie war zärtlich noch in den kleinsten Dingen. Sie besorgte ein Tischtuch, unter dem die Resopalplatte verschwand, Stoffservietten. Liebevoll deckte sie den Tisch. Die alte Rheumadecke und die zerschlissene Bettwäsche aus dem Fundus meiner Großmutter ersetzte sie durch Federbetten und neue Überzüge. Tisch und Bett. Sie bemühte sich wirklich. Plötzlich gab es Zimmerpflanzen im Marxer Keller. Sie litten, sie hatten zu wenig Licht. Martina montierte eine Tageslichtlampe über den Pflanzen, eine falsche Sonne. Wenn Martina in der Arbeit war, und ich nicht auf die Uni ging, schob ich den Schaukelstuhl nahe zu den Pflanzen, wir waren eine Schicksalsgemeinschaft: immer nahe dran zu verkümmern, durch Schein am Leben erhalten.
    Dann verfügte Martina ein Rauchverbot im Marxer Keller. Wir hatten ja kein Schlafzimmer. Das Bett stand im Zimmer. Es sei extrem ungesund, in diesem Qualm zu schlafen. Nun hatten wir im Bett gesunden Schlaf. Natürlich rauchte ich trotzdem: Ich stellte mich auf einen Stuhl, sodass ich mit meinem Gesicht mehr oder weniger auf gleicher Höhe mit der Fensterluke war, kippte sie, blies den Rauch durch den offenen Spalt und beobachtete die Waden der Passanten. Wie kam ich da raus?
    Eines Tages traf ich zufällig Anne auf der Kärntner Straße. Wie geht es dir, fragte sie. Keine Floskeln! sagte ich.
    Ich wollte Erlösung. Ja, Erlösung, dieser Begriff war plötzlich in meinem Kopf. Davon später mehr. Wir standen genau vor dem Eingang des Kasinos.
    Hör zu, sagte ich. Es ist egal, wie es mir geht und wie es dir geht. Lass uns ins Kasino gehen, da hinein. Wenn wir Glück haben, dann soll es sein: unser Glück. Und wir nehmen ein Taxi zum Flughafen und hauen ab. Wenn wir kein Glück haben, dann gehen wir dorthin zurück, wo es uns geht, wie es uns

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