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Don Quichotte

Don Quichotte

Titel: Don Quichotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kaestner
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eingesperrt«, flüsterte Maritorne. »Helft mir in den Burghof!« bat die Wirtstochter. »Hebt mich auf Euer Roß und reitet mit mir davon!« »Sie wird Euch bis ans Ende der Welt folgen«, versicherte das Dienstmädchen. »Und wenn auf Eurem Pferd noch ein dritter Platz frei ist, komm auch ich mit!« Don Quichotte wurde angst und bange. Er sagte: »Eure Liebe ehrt mich, edles Fräulein, aber meine Dame ist Dulzinea von Toboso, und ihr bin ich treu!« Da begann die Wirtstochter zu weinen. Und Maritorne bat: »So gebt ihr wenigstens die Hand zum Abschied!« »Die Hand, die ich so liebe!« seufzte die Wirtstochter kläglich. Da stieg der Ritter tatsächlich auf Rosinantes Sattel und steckte seine Hand in die Bodenluke. Darauf hatten die zwei Mädchen nur gewartet! Sie warfen eine feste hänfene Schlinge über die Hand, banden das Ende des Stricks an einen Dachbalken und rannten lachend in ihre Betten.
    Nun stand Don Quichotte also auf seinem Pferd, hatte die Hand in der Schlinge und konnte nicht vor und nicht zurück! Zum Glück war der Gaul müde und verschlafen und rührte sich nicht von der Stelle. Aber die Stunden vergingen langsam. In der Ferne schlugen die Turmuhren. Die Nacht ließ sich viel Zeit. Und dem Ritter taten die Knochen weh. Er stand und stand und stand und brachte die Hand nicht aus der Schlinge. Die Sonne ging auf. Die Vögel sangen. Don Quichotte stand und konnte sich nicht rühren. Gegen Morgen sprengten vier Reiter in den Hof. Sie und ihre vier Pferde hatten Hunger und Durst, und die Männer riefen laut nach dem Wirt. Plötzlich bemerkten sie den Ritter, der in voller Rüstung, mit erhobner Hand und mit dem Gesicht zur Wand auf der Rosinante stand, und sie wunderten sich sehr. Auch eins ihrer vier Pferde wunderte sich und trabte näher. Da drehte sich Rosinante neugierig um, tat einen Schritt zur Seite - und schon hing Don Quichotte zwischen Himmel und Erde, in der Luft!
    Er hing in der Luft und schrie wie am Spieße, weil der Strick nicht nachgab und der Arm und die Hände aus den Gelenken gesprungen waren. Maritorne, das Dienstmädchen, lief rasch auf den Heuboden und schnitt den Strick vom Balken. Im gleichen Augenblick fiel der Ritter krachend mitten in den Hof. Man hob ihn auf, trag ihn ins Bett und renkte ihm die Knochen wieder ein. Dann wollten alle wissen, wie er denn in die Schlinge und in die Luft geraten sei. Aber er sagte nur, daß ihn gefährliche Zauberer an den Strick gehext hätten. Und mehr war aus ihm nicht herauszubringen.
    DIE HEIMREISE IM KÄFIG
    Mittlerweile wurden er und der kleine Dicke eifrig gesucht. Erstens vom Pfarrer und vom Barbier, ihren Freunden aus dem Heimatdorfe, und zweitens von der Polizei. Und weil außer Don Quichotte in ganz Spanien kein anderer Mann als Ritter umhergeritten war, fand man die beiden bald. Dem ausgerenkten Arm ging es wieder besser, und sie saßen vorm Gasthaus und ließen sich von der Sonne bescheinen. Über das Wiedersehen mit dem Pfarrer und dem Barbier freuten sie sich bis zu einem gewissen Grade, obwohl sie lieber unentdeckt geblieben wären. Aber über die Ankunft der Polizisten freuten sie sich gar nicht. Wer freut sich schon, wenn ihn die Polizei sucht und findet!
    Man wollte ihn und Sancho Pansa verhaften! Denn sie hätten Galeerensträflinge befreit, sieben Hammel getötet, Eseltreiber verprügelt, reisende Damen belästigt, Kaufleute überfallen, eine Windmühle beschädigt, einen Trauerzug samt Sarg demoliert — kurz, die Polizei wußte recht gut Bescheid, und der Polizeihauptmann verlas eine lange Liste von schlimmen Anklagen. Da kam er aber bei Don Quichotte an die falsche Adresse! »Was fällt Euch ein?« rief der Ritter. »Ich habe Riesen besiegt, Prinzessinnen befreit, Armen geholfen, Zauberer vernichtet und feindliche Armeen in die Flucht geschlagen! Der König sollte mir eine Provinz schenken, statt Euch zu schicken! Oh, Undank ist der Welt Lohn!« Da betrachtete ihn der Hauptmann lange, und dann sagte er: »Ihr seid ja verrückt!« Als er das gesagt hatte, nahm ihn der Pfarrer beiseite und redete leise auf ihn ein. »Ihr habt ganz recht, Herr Hauptmann«, meinte er bekümmert, »mein Freund ist ein bißchen verrückt.« »Ein bißchen?« fragte der Hauptmann ärgerlich. »Ein bißchen sehr!« Der Pfarrer sagte: »Ob nun ein bißchen verrückt oder ein bißchen sehr — das ist kein Grund, ihn ins Gefängnis zu stecken!« »Wieso denn nicht?« meinte der Hauptmann. »Wenn jemand eine Hammelherde überfällt und sieben

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