Don Quichotte
schließlich den Fluß Ebro und fanden am Ufer ein einsames Fischerboot. »Siehst du die Barke?« fragte der Ritter. »Nein«, antwortete Sancho Pansa, »ich sehe ein Fischerboot, nichts weiter.« »Die Barke schickt uns ein Zauberer, damit wir sie besteigen und einen gefangenen König oder eine Prinzessin befreien!« Dem kleinen Dicken half kein Sträuben. Sie banden Pferd und Esel an eine Weide, kletterten in das Boot und trieben auf den Fluß hinaus. Und der Esel am Ufer schrie kläglich.
Da sie keine Ruder bei sich hatten, machte die Strömung mit dem Boot, was sie wollte. Und weil in der Nähe eine Wassermühle mit ihren Schaufelrädern arbeitete, geriet das Boot unaufhaltsam in den Sog des Mühlwassers. Don Quichotte rief: »Siehst du die Wasserburg?«, sprang auf, daß das Boot fast gekentert wäre, und zog sein Schwert. »Es ist eine Mühle«, sagte Sancho Pansa, »und wir werden unter die Räder kommen!« Inzwischen waren die Müller mit langen Stangen und Rudern vor die Mühle gelaufen, um das Boot, wenn es den Schaufelrädern zu nahe käme, zurückzustoßen. Die Müller hatten vom Mehl weiße Gesichter und sahen wie Gespenster aus. Don Quichotte fuchtelte mit dem Schwert und rief: »Gebt Eure Gefangenen frei! Den König oder die Prinzessin, oder wer es sonst ist!« Und schon schlug er wie ein Besessener auf die Ruder und Stangen los, mit denen die Müller das Boot vor dem reißenden Strudel bewahren wollten. Dabei kenterte das Boot. Der Ritter und der kleine Dicke fielen ins Wasser. Und sie wären wie die Mäuse ertrunken, wenn nicht ein paar Fischer gekommen wären, die das gestohlene Boot suchten. Sie zogen die zwei Schiffbrüchigen aus dem Wasser und mußten zusehen, wie Don Quichottes Barke unter die Schaufelräder der Mühle geriet und zu Kleinholz verarbeitet wurde. Wieder mußte Sancho Pansa die Reisekasse zücken. Die Fischer ließen sich das Boot teuer bezahlen. Erst dann brachten sie das seltsame Paar ans Ufer zurück, wo Pferd und Esel geduldig an der Weide warteten.
»Ich schäme mich«, sagte der Ritter, »denn wir haben den König und die Prinzessin, oder wer es sonst war, nicht befreien können.« »Ich schäme mich auch«, sagte Sancho, »denn wir haben Ihr schönes Geld zum Fenster hinausgeworfen.« Dann legten sie ihre Kleider, den Harnisch und sich selber zum Trocknen in die Nachmittagssonne. Sancho Pansa schlief ein und träumte, er habe seinen Herrn verlassen und reite eiligst nach Hause. Man träumt mitunter, was man tun möchte, aber in Wirklichkeit nie täte.
DER FLUG AUF DEM HÖLZERNEN PFERD
Und noch immer nicht waren sie in Saragossa! Und schon wieder kam ihnen etwas in die Quere! Mitten in einem Walde trafen sie eine fürstliche Jagdgesellschaft, und der Herzog, dem der Wald und viele Dörfer und ein prächtiges Schloß gehörten, lud die zwei ein, für einige Zeit seine Gäste zu sein. Und als auch noch die Herzogin darum bat, wäre es unhöflich gewesen, nein zu sagen. So blieben sie also im Schloß, aßen an der herzoglichen Tafel und mußten alle ihre Abenteuer erzählen. Dem Herzogpaar und deren Verwandten und Bekannten gefiel das großartig, und oft lachten sie so sehr, daß sie nicht weiteressen konnten. Nur der Pfarrer ärgerte sich gräßlich, und am dritten Abend sagte er, rot vor Zorn: »Ich habe genug davon, Herr Herzog, daß zwei Verrückte lauter Unsinn erzählen und Ihr darüber lacht! Wenn die beiden Kerle wieder fort sind, könnt Ihr mir einen Boten schicken! Bis dahin bleib ich in meinem Pfarrhaus! Gute Nacht!« Damit stand er auf und ging. Seitdem war es nur noch lustiger im Schloß. Die Herzogin, der Herzog und die anderen Adeligen taten, als ob auch sie, genau wie Don Quichotte, an Riesen, Zauberer, Gespenster und fahrende Ritter glaubten, und konnten nicht genug darüber hören. Früher hatten sie oft Langeweile gehabt. Jetzt verflog ihnen die Zeit im Flug, und sie hatten nur eine Sorge: Don Quichotte könne sie verlassen. Eines Tages war es soweit. Er verneigte sich vor dem Herzogpaar und sagte: »Nun hab ich Euch alle meine Abenteuer berichtet, und auch über Riesen und Zauberer hab ich Euch alles erzählt, was ich weiß. Drum laßt mich und meinen Stallmeister ziehen, damit wir in Saragossa und anderswo neue Abenteuer bestehen.« »Ihr bleibt!« rief da der Herzog. »Abenteuer gibt es nicht nur in der Ferne!« »Wenn es Abenteuer auch in der Nähe gibt«, sagte der Ritter, »dann bleiben wir noch ein wenig, Herr Herzog.« Da rief der Herzog seine
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