Don Quichotte
Schafe tötet, so ist es unwichtig, ob das ein Räuber oder ein Verrückter tut. Sieben tote Schafe sind sieben tote Schafe. Und Euer Freund hat mehr als sieben tote Schafe auf dem Gewissen. Er ist gemeingefährlich, und man muß ihn einsperren. Basta!«
»Überlassen Sie ihn mir!« bat der Pfarrer. »Ich bringe ihn nach Hause, und wir werden ihn nicht aus den Augen lassen. Er war ja nicht immer verrückt! Und vielleicht wird er daheim bei guter Pflege und strenger Aufsicht wieder normal!« »Und wenn er Euch unterwegs davonläuft?« fragte der Hauptmann. »Er wird mir nicht davonlaufen«, antwortete der Pfarrer. »Ich verpfände Euch mein Wort!« So kam es, daß sich am nächsten Tag ein seltsamer Zug heimwärts bewegte: Auf einem Ochsenkarren stand ein hölzerner Käfig. In dem Käfig saß, auf Strohbündeln und mit gebundenen Händen, Don Quichotte. Und daneben ritten der Pfarrer, der Barbier und Sancho Pansa und gaben acht, daß der Ritter in seinem Käfig sitzen blieb. Um es kurz zu machen: Er blieb sitzen und fand die seltsame Heimreise sogar interessant! (Bei Verrückten soll sich einer auskennen!)
Als sie zu Hause angekommen waren, brachten sie Don Quichotte in sein Studierzimmer und sperrten ihn dort ein. Die Haushälterin und deren Nichte machten es ihm bequem, bedauerten ihn und brachten ihn gleich zu Bett. Dann ging Sancho Pansa zu seiner Frau und seinen Kindern und gab ihnen einen Kuß. »Was hast du mir mitgebracht?« fragte nach dem Kuß Frau Pansa. »Einen großen Hunger«, sagte ihr Mann und setzte sich zu Tisch. »Sonst nichts?« fragte die Frau und war sehr enttäuscht. »Das nächste Mal wird’s besser«, meinte er. »Das nächste Mal kriegst du eine Insel, oder du wirst Gouverneuse.« »Was soll ich denn mit einer Insel?« fragte Frau Pansa. »Dafür ist unser Haus doch viel zu klein! Und was ist eine Gouverneuse?« »Die Frau eines Gouverneurs!« »Und was ist ein Gouverneur?« »Der Mann einer Gouverneuse!« Da sagte Frau Pansa: »Aha! So ist das!«
WASSERBURG UND WELLENBAD
Einige Zeit ging alles gut. Don Quichotte blieb zu Hause, ließ sich mästen, schlief viel und kam langsam wieder zu Kräften. Sancho Pansa besuchte ihn täglich. Sie steckten die Köpfe zusammen, tuschelten miteinander, zwinkerten sich zu — und eines schönen Tages waren sie wieder verschwunden! Diesmal wollten sie nach Saragossa. Weil sie gehört hatten, daß dort, am Tag des Heiligen Georg, ein großes Turnier stattfinden werde. Daran wollte Don Quichotte selbstverständlich teilnehmen und als Sieger gekrönt werden. Deshalb hatte er sich auch geschworen, unterwegs keinerlei Abenteuer zu suchen. Denn er wollte pünktlich in Saragossa eintreffen. Doch die Abenteuer liefen ihm nach. Er suchte sie nicht. Aber sie fanden ihn. Und er brachte es nicht fertig, ihnen auszuweichen. So begegneten sie zum Beispiel drei Löwen, die der General von Oran dem spanischen König als Geschenk schickte. Die Löwen lagen in Käfigen, und der Ritter hätte vorüberreiten können. Doch das ließ sein Mut nicht zu. Er zwang die Soldaten, den Käfig des größten Löwen zu öffnen. Weil er sie mit seiner Lanze bedrohte, gehorchten sie, liefen zitternd ins Feld und erwarteten Schreckliches. »Komm heraus, König der Wüste!« rief Don Quichotte und kitzelte den großen Löwen mit der Lanze. »Laß sehen, wer stärker ist!« Aber der Löwe wandte nur den mächtigen Kopf, blinzelte ein wenig, gähnte und schlief weiter. Er war zu müde, um sich zu ärgern. Und weil der Ritter wenig Zeit hatte, zog er mit Sancho Pansa unverrichteter Sache weiter.
Tags darauf stieg er angeseilt in die Höhle des Montesinos hinunter, wo vor ihm noch kein Mensch gewesen war, und als er nach Stunden wieder herauskam, erzählte er erstaunliche Dinge, die ihm unter der Erde zugestoßen seien. Sancho Pansa tat das Klügste, was er tun konnte: Er glaubte jedes Wort. — Und am Abend, als sie ein wanderndes Marionettentheater besuchten, griff Don Quichotte mit gezogenem Schwert in die Schlacht ein, die auf der Bühne stattfand! Er schlug alles kurz und klein: die Puppen, die Dekorationen und den Samtvorhang! Die Zuschauer liefen vor Schreck davon, und der Theaterdirektor brachte eine lange, lange Rechnung, die Sancho Pansa zähneknirschend bezahlte. Sonst, sagte der Direktor, werde er die Polizei holen. Und auf Polizisten waren der dürre Ritter und der kleine dicke Stallmeister ganz und gar nicht neugierig. Im Verlauf ihrer Reise nach Saragossa erreichten sie
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