Don Quichotte
die er verehren und in deren Namen er kämpfen wollte. Schließlich fiel ihm Aldonza Lorenzo ein. Das war ein hübsches, strammes Bauernmädchen aus dem Nachbardorf, und er war einmal in sie verliebt gewesen. Nur ihr Name war ihm nicht prächtig und fürstlich genug. Und er grübelte, wie sie heißen solle. Am besten gefiel ihm nach längerem Hin und Her: Dulzinea von Toboso. Das klang herrlich! Und so gab er dem Gaul die Sporen, galoppierte über die Landstraße und rief wieder und wieder: »Dulzinea von Toboso ist die schönste und vornehmste Dame Spaniens!« Unter diesem Rufe kam er an einen Kreuzweg, wo gerade sechs Reiter mit ihren Dienern und Maultiertreibern hielten. Es waren wohlhabende Kaufleute aus Toledo, und sie wollten nach Murzia, um dort Seide einzukaufen. »Dulzinea von Toboso ist die schönste und vornehmste Dame Spaniens!« rief Don Quichotte. »Gebt Ihr das zu?« Da sagte der eine Kaufmann: »Wir kennen sie ja gar nicht, Eure Dulzinea!« Ein andrer sagte: »Zeigt uns ihr Bild! Vorher geben wir überhaupt nichts zu!« Und der dritte meinte spöttisch: »Vielleicht schielt sie und hat Zahnlücken!« Und alle lachten.
Das war für Don Quichotte zuviel. »Das sollt ihr büßen!« donnerte er, legte seine Lanze ein und sprengte auf die Herren los. Es hätte recht übel ausgehen können.
Doch auf halbem Wege stolperte sein Gaul und fiel, samt dem Ritter, mitten auf die Straße. Don Quichotte wollte aufstehen und zu Fuß für seine Dame kämpfen. Aber die Rüstung, der Schild, die Lanze und der Helm waren zu schwer. Und schon waren die Maultiertreiber über ihm, zerbrachen die Lanze, jeder nahm ein Stück davon, und dann prügelten sie auf ihn ein, daß ihm Hören und Sehen verging.
Als der arme Ritter wieder zu sich kam, waren die andern über alle Berge. Die Knochen taten ihm weh, und er stöhnte und ächzte zum Steinerweichen. Zum Glück ritt ein Bauer auf seinem Esel vorüber, half dem Pferd auf die Beine, erkannte Don Quichotte, setzte ihn behutsam auf den Esel und lieferte Roß und Reiter vor dessen Haus ab.
Es war schon dunkel, und die Haushälterin und die Nichte, der Pfarrer und der Barbier waren froh, den Ausreißer wieder daheim zu haben. Er war braun und blau am ganzen Körper. Sie steckten ihn ins Bett und machten ihm kalte Umschläge. Er berichtete, daß er mit zehn gewaltigen Riesen gefochten hätte. Doch sie glaubten ihm nicht recht und gaben ihm Kamillentee zu trinken.
DER KAMPF MIT DEN WINDMÜHLEN
Vierzehn Tage mußte der Ritter das Bett hüten, und die Haushälterin dachte schon, er habe von seinen Abenteuern genug. Doch eines schönen Morgens war er wieder verschwunden! Aber diesmal nicht nur er und das Pferd, sondern auch sein Nachbar Sancho Pansa, ein verheirateter Bauer, mit einem Esel. Sancho Pansas Frau kam, samt den Kindern, zu Don Quichottes Haushälterin und der Nichte gelaufen, und sie weinten und schimpften durcheinander, daß das Haus widerhallte. Was, um alles in der Welt, war Sancho Pansa eigentlich eingefallen, den verrückten Ritter zu begleiten? War denn auch in seinem Bauernschädel etwas nicht ganz in Ordnung? Nun, verrückt war der kleine, dicke Bauer nicht, aber er war, offen gestanden, ziemlich dumm. Und als ihm Don Quichotte erzählt hatte, er wolle Provinzen, Inseln und Königreiche erobern und ihn, den Knappen und Stallmeister, zum Grafen oder Herzog machen, wenn nicht gar zu einem König, da hatte der kleine Dicke nicht widerstehen können. Wie sie so dahinritten, sagte Sancho Pansa nachdenklich: »Ein König wäre ich ja recht gern. Doch dann würde meine Frau eine Königin, und ich glaube, das liegt ihr nicht. Für so einen Posten ist sie nicht fein genug. Macht mich zu einem Grafen. Dann wird sie eine Gräfin. Das kriegt sie vielleicht hin.« »Sei nicht so bescheiden!« antwortete der Ritter. »Man muß Großes wollen! Ich mache dich mindestens zum Gouverneur, und damit basta!« »Na schön«, meinte Sancho Pansa, »macht mich zum Gouverneur und meine Frau zur Gouverneuse! Das Gouvernieren werden wir schon lernen!« Damit schnallte er den Weinschlauch vom Sattel seines Esels los und trank einen kräftigen Schluck.
Gegen Abend näherten sie sich einem Hügel, auf dem dreißig bis vierzig Windmühlen standen. Da stellte sich Don Quichotte in die Steigbügel und rief: »Siehst du die Riesen auf dem Hügel?« Sancho Pansa kaute gerade etwas Brot und Schinken und sagte: »Riesen? Auf dem Hügel? Ich sehe nur Windmühlen!« »Riesen!« rief der Ritter.
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