Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Beschäftigung solche Reden führte, daß diese schon den Anselmo glauben machen konnten, er besitze in Camilla ein Wunderbild von Keuschheit. Zu Leonellas Reden fügte Camilla andere hinzu, indem sie sich feigherzig und mutlos schalt, weil sie nun den Augenblick versäumt habe, sich das ihr verhaßte Leben zu nehmen; sie fragte das Mädchen um Rat, ob sie ihrem geliebten Gemahl diesen Vorfall erzählen solle oder nicht. Diese riet ihr, nichts davon zu sagen, denn er sei dadurch verpflichtet, an Lotario Rache zu nehmen, wobei er sich selber der größten Gefahr aussetze, daß es aber die Schuldigkeit einer edlen Frau sei, ihren Mann niemals in Händel zu verflechten, sondern daß sie ihm vielmehr alles aus dem Wege räumen müsse, wodurch dergleichen entstehen könne. Camilla antwortete, daß sie derselben Meinung sei und ihren Rat befolgen wolle; daß man aber auf jeden Fall dem Anselmo eine Ursache sagen müsse, wie diese Wunde entstanden sei, die ihm nicht verheimlicht bleiben könne. Worauf Leonella antwortete, daß sie unmöglich lügen könne, wenn es auch nur im Scherze geschehe.«Wie also, Liebe«, versetzte Camilla, »sollte ich es möglich machen? Nein, ich hätte nicht den Mut, eine Lüge zu erfinden oder auch nur zu bestätigen, und wenn selbst mein Leben darauf stände; wenn wir uns also aus dieser Verlegenheit gar nicht herauswickeln können, so ist es besser, die reine Wahrheit zu sagen als etwas anderes, das uns nur in Lügen verstricken dürfte.«
»Seid nur ruhig, gnädige Frau«, antwortete Leonella, »zwischen heut und morgen will ich sinnen, was wir ihm sagen können, vielleicht könnt Ihr auch die Wunde so verbergen, an dem Ort, wo sie sich befindet, daß sie Euer Gemahl nicht sieht, und der Himmel wird darin vielleicht unseren guten und tugendhaften Gedanken zu Hilfe kommen. Beruhigt Euch nur, meine Gebieterin, und erholt Euch von dieser Erschütterung, damit der Herr Euch nicht in dieser Bewegung findet, alles übrige überlaßt nur meiner Sorgfalt und Gottes Beistand, der immer die guten Absichten befördert.«
Höchst aufmerksam hatte Anselmo dagestanden, um die Tragödie vom Tode seiner Ehre zu hören und darstellen zu sehen, welche die spielenden Personen mit solcher lebhaften Täuschung aufzuführen vermochten, daß es schien, als hätten sie sich wahrhaftig in diejenigen verwandelt, die sie nur nachahmen wollten. Er wünschte mit Sehnsucht die Nacht herbei, um sein Haus verlassen zu können und seinen geliebten Lotario aufzusuchen, damit er sich mit diesem über die kostbare Perle freuen könne, die er mit dem Verluste seines Argwohns in der Vortrefflichkeit seiner Gattin gefunden habe. Die beiden sorgten dafür, ihm Gelegenheit zum Ausgehen zu verschaffen. Er ging auch augenblicklich fort, um sogleich Lotario aufzusuchen, und als er diesen fand, so läßt es sich nicht beschreiben, wie oft und herzlich er ihn in die Arme schloß, was er ihm von seinem Entzücken sagte, wie sehr er Camilla pries. Alles hörte Lotario ohne Zeichen der Freude an, denn er konnte die Vorstellung nicht loswerden, in welchem groben Irrtume sein Freund lebte, und wie empfindlich er ihn kränke; und obgleich Anselmo sah, daß Lotario nicht vergnügt war, so glaubte er, es rühre daher, weil jener Camilla verwundet zurückgelassen habe und schuld an dieser Wunde sei. Er sagte ihm also nebst anderen Dingen, daß er wegen Camilla unbesorgt sein könne, denn die Wunde sei gewiß nur unbedeutend, weil sie die Absicht hätten, sie vor ihm zu verhehlen, deswegen dürfe er auch nichts befürchten, sondern daß er von nun an fröhlich und ganz erheitert mit ihm leben möge, denn durch seine Vermittlung sei er zur höchsten Glückseligkeit gelangt, die er sich nur jemals habe wünschen können, von nun an wolle er sich nur Mühe geben, in preisenden Gedichten Camillas Andenken zu verehren, damit ihr Ruhm auch dem künftigen Zeitalter überliefert würde. Lotario lobte seinen guten Vorsatz und sagte, daß er auch gern helfen wolle, ein so herrliches Gebäude aufzuführen.
So war Anselmo auf eine Art hintergangen, wie nur irgendein Mann auf Erden betrogen werden kann, er selbst führte an seiner Hand denjenigen in sein Haus zurück, den er für das Werkzeug seiner höchsten Freude hielt, und der seine Ehre völlig vernichtete; Camilla empfing ihn äußerlich mit einem Gesichte voll Verdruß, ob sie gleich innerlich lachte. Dieser Betrug dauerte noch einige Zeit, bis nach wenigen Monaten Fortuna ihr Rad drehte und die
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