Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
hatten so sehr den Ausdruck der Wut, daß man glaubte, ihr Bewußtsein habe sie gänzlich verlassen, und daß sie kein zartes Weib, sondern ein verzweifelter Mörder sei.
Alles dies sah Anselmo hinter einigen Teppichen an, die ihn verbargen, er war verwundert und glaubte, daß das, was er gesehen und gehört, allein schon hinreichend sei, noch stärkeren Argwohn zu vertilgen, er wünschte schon, daß Lotario gar nicht kommen möchte, weil er irgendein plötzliches Unheil besorgte, er war willens hervorzutreten, seine Gattin zu umarmen und sie aus ihrem Irrtum zu reißen, doch hielt er sich noch zurück, denn er sah nun Leonella zurückkommen, die den Lotario bei der Hand hielt. Sowie ihn Camilla hereintreten sah, machte sie mit dem Dolche vor sich einen langen Strich auf dem Fußboden und sagte: »Lotario, höre, was ich dir sage: Wagst du es, diesen Strich zu überschreiten, ja ihm nur nahe zu kommen, so durchstoße ich in dem nämlichen Augenblicke meine Brust mit diesem Dolche, den ich in Händen habe, und bevor du mir hierauf etwas erwiderst, sollst du meinen Worten zuhören, dann magst du sagen, was dir gefällt. Zuerst sage mir, Lotario, ob du meinen Mann Anselmo kennst und wie du von ihm denkst, zweitens will ich wissen, ob du mich kennst. Hierauf antworte ohne Verworrenheit und ohne dich lange zu bedenken, denn meine Fragen sind leicht zu fassen.«
Lotario war nicht so ungeschickt, daß er nicht von dem Au gen blicke, in welchem ihm Camilla gesagt hatte, er möchte veranstalten, daß sich Anselmo verstecke, alles begriffen hätte, er half also ihrer Absicht so verständig, daß die Verstellung vollkommen den Schein der Wahrheit erhielt. Darum antwortete er Camilla auf folgende Weise: »Ich dachte nicht, schöne Camilla, daß du mich gerufen hättest, um mich Sachen zu fragen, die der Absicht, warum ich komme, so fern liegen, tust du es, um den versprochenen Lohn zu verzögern, so durftest du ihn nur weiter verschieben, denn man fühlt sich um so bitterer getäuscht, wenn man den Besitz schon ganz nahe wähnte. Damit du aber nicht sagen könntest, ich wolle deine Fragen nicht beantworten, so sage ich, daß ich deinen Gemahl Anselmo kenne, denn wir kennen uns beide seit unseren Kinderjahren, auch will ich dir nicht wiederholen, was du selbst in Ansehung unserer Freundschaft weißt, damit ich nicht selbst das Unrecht bezeuge, von dem die Liebe verlangt, daß ich es tun muß; eine genügende Entschuldigung für noch größere Vergehungen. Auch dich kenne ich, und halte dich ebenso hoch, wie er dich hält, denn wenn dem nicht so wäre, so würde ich niemals für ein geringeres Gut als dich so sehr alles verleugnen, was ich mir selbst schuldig bin, und mich gegen die heiligen Gesetze der wahren Freundschaft auflehnen, die mich nun die zu große Gewalt der Liebe zu verletzen und zu zerbrechen zwingt.«
»Wenn du dieses eingestehst«, antwortete Camilla, »du Todfeind von allem, was geliebt zu werden verdient, mit welchem Angesicht wagst du es, vor der zu erscheinen, die der Spiegel ist, in dem sich der beschaut, in dem du dich spiegeln müßtest, um zu fühlen, wie er dir durchaus keine Gelegenheit gibt, daß du ihn so kränken dürftest? Ich Unglückselige muß aber glauben, daß die Ursache, daß du dich so vergessen konntest, in mir selber liegt, etwa ein zu freies Betragen, das ich nicht Mangel an Sittsamkeit nennen mag, weil ich mir dessen nicht bewußt bin, sondern das vielleicht aus Unachtsamkeit entstanden ist, wie es den Weibern wohl zu gehen pflegt, wenn sie in der Meinung stehen, daß sie sich nicht zu hüten brauchen. Wenn dies nicht ist, so sprich, Bösewicht, wann habe ich dir nur mit einem einzigen Worte oder einer Miene so geantwortet, daß nur ein Schatten von Hoffnung in dir entstehen konnte, deine schändlichen Wünsche zu erfüllen? Wann wurden deine Liebesanträge nicht mit Ernst und Strenge von mir verworfen? Wann wurden deine großen Versprechungen und noch größeren Geschenke geglaubt und angenommen? Da es aber unmöglich ist, daß jemand in einer Leidenschaft verharrt, wenn er nicht durch irgendeine Hoffnung aufrechterhalten wird, so muß ich mir die Schuld deiner Unverschämtheit beimessen, denn irgendeine Sorglosigkeit von meiner Seite muß deine Beharrlichkeit bisher aufrechterhalten haben, und darum will ich mich züchtigen und mir die Strafe zufügen, die dein Verbrechen verdient, damit du einsiehst, daß, wenn ich gegen mich selbst so grausam bin, ich gegen dich nicht anders
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