Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
gesinnt sein könne. Deshalb habe ich dich herkommen lassen, um ein Zeuge von dem Opfer zu sein, welches ich der beleidigten Ehre meines höchst ehrenvollen Gemahls zu bringen denke, den du mit dem größten Eifer gekränkt hast, so wie ich ihn auch dadurch beleidigt habe, daß ich nicht vorsichtig genug der Gelegenheit auswich, wenn ich dir je welche gegeben habe, deine bösen Gedanken zu begünstigen. Ich wiederhole noch einmal, daß der Verdacht, wie eine Unachtsamkeit von mir, diese bösen Gedanken in dir erzeugt hat, mich am meisten quält, so daß ich mich dafür mit meinen eigenen Händen strafen will, denn wenn mich ein anderer züchtigte, so würde meine Schuld dadurch vielleicht nur um so bekannter; ehe ich dies aber vollbringe, will ich den im Sterben töten und mit mir führen, mit welchem ich das Maß meiner Rache erfüllen kann, wo er dann dort von einem unparteiischen Richterspruch die Strafe dafür empfängt, mich zu einer so verzweiflungsvollen Tat gebracht zu haben.«
Und mit diesen Worten stürzte sie sich mit unglaublicher Kraft und Schnelligkeit auf Lotario zu, indem sie den Dolch hochschwang und sich auf alle Art bemühte, ihm die Spitze in die Brust zu stoßen, so daß er selbst zu zweifeln anfing, ob diese Gebärden ernstlich oder nur erdichtet wären, denn er war gezwungen, sich mit aller seiner Besonnenheit und Kraft zu verteidigen, um nur Camilla von sich abzuhalten. Diese wußte mit einer so wunderbaren und lebendigen Täuschung ihre List und Heuchelei darzustellen, daß, um ihr den völligen Anstrich der Wahrheit zu geben, sie sich mit ihrem eigenen Blute färben wollte; denn da sie sah oder sich wenigstens so stellte, daß sie Lotario nicht verwunden könnte, rief sie aus, »da das Schicksal mich hindert, mein gerechtes Vorhaben ganz auszuführen, so soll es wenigstens nicht so viel vermögen, daß ich nicht einen Teil davon wirklich ausübte«. Sie bestrebte sich hierauf, die Hand, mit dem Dolche bewaffnet, loszumachen, die Lotario festhielt, es gelang ihr, und sie drängte die Spitze nun nach einem Orte, an dem sie sich keine tiefe Wunde machen konnte, denn sie stieß ihn in die linke Seite dicht an der Schulter hinein, und zugleich fiel sie auch wie ohnmächtig auf den Boden nieder. Leonella und Lotario standen über dieses Beginnen voll Verwunderung da, und beide zweifelten, ob sie ihren Augen trauen dürften, da sie Camilla auf der Erde in ihrem Blute gebadet liegen sahen. Lotario lief voll Entsetzen und atemlos hinzu, um den Dolch zu nehmen, da er aber die unbedeutende Wunde sah, erholte er sich von seinem Schrecken und bewunderte von neuem den Scharfsinn, die List und große Verschlagenheit der schönen Camilla, um aber auch seine ihm gehörige Rolle zu spielen, begann er über den Körper der Camilla ein lautes Klagegeschrei, als wenn sie wirklich tot wäre, indem er tausend Verwünschungen gegen sich und den ausstieß, der ihn dazu getrieben, so weit zu gehen. Da er wußte, daß ihm sein Freund Anselmo zuhöre, sagte er solche Dinge, daß der, der ihn hörte, glauben mußte, er sei noch viel mehr als Camilla zu beklagen, ob man diese gleich für tot halten konnte.
Leonella faßte sie in die Arme und trug sie auf das Bett, indem sie Lotario bat, er möchte schnell jemand suchen, der sie insgeheim heilen könnte; zugleich fragte sie ihn, was man dem Anselmo in Ansehung der Wunde ihrer Gebieterin sagen solle, wenn er etwa vorher wiederkäme, ehe sie ganz wiederhergestellt sei. Er antwortete, daß sie sagen möchten, was sie wollten, denn ihm falle es unmöglich, einen vernünftigen Rat zu erteilen, sie möchte nur suchen, das Blut zu stillen, denn er wolle dahin gehen, wo ihn nie das Auge eines Menschen wiederfände. Mit den Anzeichen einer heftigen Rührung verließ er hierauf das Haus, und sowie er allein war, daß niemand ihn bemerken konnte, bekreuzte er sich vor Verwunderung über Camillas List sowie über das dazu passende Betragen der Leonella. Er erwog, wie Anselmo nun von neuem den Glauben bekommen habe, daß er in seinem Weibe eine zweite Porzia besitze, und er wünschte ihn nur bald zu sehen, damit sie die Lüge in Gesellschaft preisen könnten, die so den Schein der Wahrheit erhalten hatte, wie es nur immer möglich war.
Leonella stillte indessen ihrer Gebieterin das Blut, welche gerade nur so viel vergossen hatte, um ihrer List dadurch einen Anschein zu geben; hierauf wusch sie die Wunde mit Wein und verband sie so gut sie konnte, indes sie während ihrer
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