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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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noch den Sinn ändern darf, nebst anderen Einschränkungen, denen sich die unterwerfen, die glossieren wollen, wie Ihr dieses auch selber wissen werdet.«
    »Wahrlich, Herr Don Quixote«, sagte Don Lorenzo, »ich möchte Euch so gern längere Zeit auf falschem Latein betreffen: aber es ist mir nicht möglich, denn Ihr entschlüpft mir unter den Händen, wie ein Aal.«
    »Ich verstehe nicht«, antwortete Don Quixote, »was mein Herr meint oder was Ihr mit dem Entschlüpfen sagen wollt.«
    »Ich werde mich schon deutlich machen«, antwortete Don Lorenzo; »seid jetzt nur auf die glossierten Verse und auf die Glosse aufmerksam. Beide heißen so:
Ging’ mein War in Ist nur ein,
würd’ ich aller Angst befreit,
oder käme schon die Zeit
dessen, was wird künftig sein.
Glosse
Wie sich alles einst beendet,
endigte das Gut, vom Glück
mir einst reichlich zugewendet,
niemals kam es mir zurück,
weder groß noch klein gesendet.
Schon seit Jahren, Glückesschein,
muß ich kniend vor dir sein;
sende mir das Gut hernieder,
denn mein Sein wär’ glücklich wieder,
Ging’ mein War in Ist nur ein.
Nein, ich will sonst kein Vergnügen,
keine Freude, kein Entzücken,
nicht Triumphe, kein Besiegen,
nur mich wieder zu beglücken,
wie sich’s vormals mochte fügen.
Bringst du mich, o Glück, so weit,
ist gemildert alles Leid,
ausgelöscht die Glut im Herzen,
tilgtest du mir bald die Schmerzen,
würd’ ich aller Angst befreit.
Unding ist nur mein Verlangen,
denn die Zeit zum Sein zu bringen,
wenn sie einmal ist vergangen,
das kann keiner Macht gelingen,
so weit reicht kein Unterfangen.
Sie flieht zur Vergangenheit,
wo sie niemals Rückkehr beut,
der irrt, wer den Wunsch erlesen,
wäre doch die Zeit gewesen
oder käme schon die Zeit.
Leben ein verwirrtes Leben,
bald im Hoffen, bald im Zagen,
heißt im bittern Tode schweben,
besser gleich den Tod zu wagen,
Ausgang seinem Schmerz zu geben
Enden wäre gut für mein
Elend; dennoch darf’s nicht sein,
denn mit besserm Überlegen
gibt mir Leben das Erwägen
dessen, was wird künftig sein.«
    Als Don Lorenzo seine Glosse geendigt hatte, stand Don Quixote auf und sagte mit lauter Stimme, die fast ein Schreien wurde, indem er mit seiner Hand die rechte des Don Lorenzo faßte: »Nun, beim hohen, allmächtigen Himmel, edler Jüngling, Ihr seid der beste Poet von der Welt und verdient gekrönt zu werden, nicht in Zypern oder in Gaeta, wie ein Poet gesagt hat, dem es Gott vergeben möge, sondern in den Akademien zu Athen, wenn sie gegenwärtig noch ständen, sowie in denen, die sich heutzutage zu Paris, Bologna und Salamanka befinden. Der Himmel gebe, daß die Richter, die Euch den ersten Preis absprechen, Phöbus mit seinen Pfeilen erschießen möge, und daß die Musen niemals wieder die Türschwellen ihrer Häuser betreten. O, mein Herr, wenn es Euch beliebt, so sagt mir noch einige längere Verse; denn ich möchte gern Eurem bewundernswürdigen Genie recht genau an den Puls fühlen.«
    Ist es nicht sonderbar, daß Don Lorenzo sich gefreut haben soll, vom Don Quixote gelobt zu werden, ob er ihn gleich für närrisch hielt? O du Gewalt der Schmeichelei, wie weit erstreckst du dich, und wie weit sind die Grenzen deiner lieblichen Gerichtsbarkeit ausgedehnt! Diese Wahrheit bestätigte Don Lorenzo, der sogleich das Verlangen und die Bitte des Don Quixote erfüllte, indem er ihm folgendes Sonett auf die Fabel oder die Historie des Piramus und der Thisbe hersagte:
Sonett
Der schönen Jungfrau muß die Wand zerspringen,
Ihr muß das Herz des Piramus erweichen,
Von Zypern eilet Amor, zu erreichen
Den engen Wunderspalt auf seinen Schwingen.
Hier spricht das Schweigen nur, denn durchzudringen
Der engen Enge wagt kein Ton; doch schleichen
Die Seelen ein, denn gern pflegt auszugleichen
Amor die schwersten Ding’, daß sie gelingen.
Doch wollen Wünsche nun nicht mehr genügen,
Das unvorsicht’ge Mädchen geht und strebet
Statt nach der Lust nach Tod; wer sollt’ es denken!
Daß beide nun zugleich, o seltsam Fügen!
Ermordet und bedeckt, und neu belebet
Ein Schwert, Ein Grabmal und Ein Angedenken.
    »Gelobt sei Gott«, sagte Don Quixote, nachdem er das Sonett des Don Lorenzo gehört hatte, »daß ich unter den unzähligen verkommenen Poeten, die es gibt, auch einen vollkommenen Poeten finde, wie Ihr einer seid, mein sehr werter Herr; denn das kann ich aus diesem äußerst künstlichen Sonette abnehmen.«
    Vier Tage blieb Don Quixote, trefflich bewirtet, im Hause des Don Diego, nach deren Verlauf er um

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