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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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Zwischenzeit zu unterhalten, bis der Tisch gedeckt sei, denn weil ein so edler Gast angekommen, wollte auch Doña Christina zeigen, daß sie diejenigen gut zu bewirten wisse, die ihr Haus besuchten. Indessen Don Quixote mit dem Ablegen beschäftigt war, hatte Don Lorenzo (denn so hieß der Sohn des Don Diego) Gelegenheit, seinen Vater zu fragen: »Wer ist doch dieser Ritter, Herr Vater, den Ihr mit Euch nach Hause gebracht habt? Denn sein Name, seine Figur, und daß er ein irrender Ritter sein soll, bringen mich und die Mutter in Verwunderung.«
    »Ich weiß dir hierauf, mein Sohn, nichts zu antworten«, erwiderte Don Diego, »als nur, daß ich ihn habe Dinge tun sehen, deren nur der größte Narr auf Erden fähig ist, und wieder hat er dann so verständige Sachen gesprochen, daß sie seine Taten verdunkelt und ausgelöscht haben. Sprich du mit ihm und suche ihn selbst zu erforschen; und da du verständig bist, magst du nachher selber urteilen, ob sein Verstand oder seine Albernheit das größte Teil in ihm ausmache, obgleich ich, die Wahrheit zu sagen, ihn mehr für närrisch als für gescheit halte.«
    Hierauf begab sich Don Lorenzo, wie schon gesagt, hin, um Don Quixote zu unterhalten, und unter anderen Reden, die zwischen ihnen beiden vorfielen, sagte Don Quixote zu Don Lorenzo: »Der Herr Don Diego de Miranda, Euer werter Vater, hat mir von dem schönen Talente und dem großen Genie Nachricht gegeben, welches mein edler Herr besitzt; vorzüglich aber hat er mir gesagt, daß Ihr ein großer Poet seid.«
    »Ein Poet mag ich vielleicht sein«, antwortete Don Lorenzo, »doch unendlich weit von dem Verdienste eines großen entfernt. Die Wahrheit ist: daß ich der Poesie sehr ergeben bin, und daß es mich ergötzt, die guten Poeten zu lesen; doch folgt daraus noch nicht im mindesten, daß ich den Namen eins großen Poeten verdiene, den mir mein Vater erteilt hat.«
    »Diese Bescheidenheit ist schön«, antwortete Don Quixote; »denn man findet sonst keinen Poeten, der nicht stolz und überzeugt wäre, daß er der größte Poet in der ganzen Welt sei.«
    »Es gibt keine Regel ohne Ausnahme«, antwortete Don Lorenzo, »vielleicht kann es einen geben, der es ist, und nicht so denkt.«
    »Der Fall ist selten«, antwortete Don Quixote; »aber beliebt mir doch zu sagen, was sind es für Verse, an denen Ihr jetzt arbeitet, denn Euer Herr Vater hat mir gesagt, daß sie Euch etwas nachdenklich und unruhig machen. Ist es eine Glosse, so möchte ich sie wohl sehen, denn ich verstehe auch etwas von Glossen; und wenn es eine Preisaufgabe ist, so sucht nur den zweiten Preis zu erlangen, denn der erste wird entweder nach Gunst oder dem höheren Stande des Mitbewerbers erteilt, den zweiten aber teilt die Gerechtigkeit selber aus, und der dritte wird dadurch der zweite, so daß nach dieser Rechnung der erste der dritte ist, wie auch auf den Universitäten die Würden ausgeteilt werden; aber dessenungeachtet klingt es schön, den ersten Preis zu gewinnen.«
    »Bis jetzt«, sagte Don Lorenzo zu sich selber, »kann ich ihn noch für keinen Narren halten; aber wir wollen weiter sehen.« Er sagte also: »Es scheint, daß mein edler Herr auch die Schulen durchlaufen habe; welche Wissenschaft habt Ihr studiert?«
    »Diejenige der irrenden Ritterschaft«, antwortete Quixote, »die so gut ist wie die Poesie, ja noch um einige Zoll breit besser.«
    »Ich weiß nicht, was das für eine Wissenschaft ist«, versetzte Don Lorenzo, »habe auch bisher noch nichts davon vernommen.«
    »Dies ist eine Wissenschaft«, versetzte Don Quixote, »die alle, oder doch die meisten Wissenschaften der Welt in sich faßt; denn derjenige, der sich ihr widmet, muß ein Rechtsgelehrter sein, und die Gesetze der justitia distributiva und commutativa kennen, um jedermann zu geben, was das seinige ist und was ihm zukommt. Er muß Theologe sein, um von der christlichen Religion, zu welcher er sich bekennt, sobald es gefordert wird, deutlich und bestimmt Rede und Antwort zu geben. Er muß ein Arzt sein, vorzüglich aber ein Botaniker, um mitten in Einöden und Wüsten die Kräuter zu erkennen, die geeignet sind, seine Wunden zu heilen; denn der irrende Ritter kann nicht bei jedwedem kleinen Strauß einen aufsuchen, der sie ihm verbindet. Er muß ein Astrologe sein, um von den Gestirnen zu wissen, wie viele Stunden von der Nacht verflossen sind, und in welchem Weltteile oder unter welchem Klima er sich befindet. Er muß die Mathematik verstehen, denn auf jedem Schritte

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