Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
über der Erde halte. Ich schere mich den Henker um alle Lästermäuler in der ganzen Welt; sitz’ ich nur weich, ist mir alles Schwatzen gleich. Hab’ ich nicht recht, Mutter?«
»Und wie hast du recht, mein Kind«, antwortete Therese, »und alles dieses Glück, ja noch mehr, hat mir mein lieber Sancho prophezeit; und du wirst sehen, Tochter, daß er mich gewiß noch zur Gräfin macht, denn alles Glück will seinen Anfang haben. Und wie ich oft von deinem lieben Vater gehört habe (der dein Vater, aber auch ein Vater von Sprichwörtern ist), wenn sie dir schenken die Kuh, so lauf mit dem Stricke zu; wenn sie dir eine Statthalterschaft geben, so nimm sie, wenn sie dir eine Grafschaft geben, so laß sie nicht fahren, und wenn sie dir ein tüchtiges Geschenk hinreichen, so stopf’ es dir in den Hals! Ei, das wäre mir recht, daß man sich schlafen legte und dem Glück und allen Herrlichkeiten nicht aufmachte, wenn sie an die Türe klopfen.«
»Und was geht’s mich weiter an«, fügte Sanchica hinzu, »mögen sie doch reden, was sie wollen, wenn ich in meiner Pracht und majestätisch dasitze: grämt sich der Hund, weil er ist bunt?«
Als der Pfarrer dies hörte, sagte er: »Ich muß durchaus glauben, daß die ganze Familie der Pansas mit einem Ranzen voll Sprichwörter im Leibe zur Welt kommt, ich habe noch keines von ihnen gesehen, das sie nicht zu allen Zeiten um sich streut und bei allem, was er spricht.«
»Das ist wahr«, sagte der Page, »denn der Herr Statthalter Sancho sagt bei jedem Schritte welche, und wenn sie auch nicht immer passen, so machen sie doch Vergnügen, und meine gnädige Herzogin und der Herzog halten viel davon.«
»Und Ihr behauptet immer noch, mein werter Herr«, fragte der Bakkalaureus, »daß es mit der Statthalterschaft des Sancho Ernst sei und daß es eine Herzogin in der Welt gebe, die diese Geschenke und Briefe schicke? Denn wir, ob wir gleich die Geschenke gesehen und die Briefe gelesen haben, können es doch nicht glauben, sondern meinen, es sei eins von den Dingen, welche unser Landsmann Don Quixote immer nur für Wirkungen der Zauberei erklärt hat, und darum möchte ich auch sagen, daß ich Euch anfühlen und anrühren möchte, um zu sehen, ob Ihr ein gespenstischer Abgesandter seid oder ein Mensch von Fleisch und Bein.«
»Meine Herren, ich weiß von mir nichts anderes zu sagen«, antwortete der Page, »als daß ich ein wahrhaftiger Abgesandter bin und daß der Herr Sancho Pansa ein wirklicher Statthalter ist und daß mein gnädiger Herzog und die Herzogin ihm eine Statthalterschaft geben konnten und sie ihm gegeben haben, und daß ich habe erzählen hören, daß dieser Sancho Pansa sich dabei überaus herrlich nimmt. Ob hierbei eine Bezauberung zugrunde liegt oder nicht, mögt ihr unter euch selbst ausmachen, denn ich kann bei dem Eide, den ich tun will, nichts anderes sagen, und ich schwöre bei dem Leben meiner Eltern, welche noch leben und die ich sehr liebe und verehre.«
»Das kann alles wohl sein«, versetzte der Bakkalaureus, »aber dubitat Augustinus.«
»Zweifle, wer zweifeln will,« antwortete der Page, »was ich gesagt habe, ist die Wahrheit, die immer über der Lüge bleiben wird, wie ÖI über dem Wasser, wo nicht, operibus credite et non verbis: gehe einer von diesen Herren mit mir und sehe mit seinen eigenen Augen, was er seinen Ohren nicht glauben will.«
»Ich will mitgehen«, sagte Sanchica, »nehmt mich, lieber Herr, hinten auf Euer Pferd, denn ich ritte gar zu gern mit, um meinen Herrn Vater zu sehen.«
»Die Töchter der Statthalter dürfen nicht so allein die Landstraßen bereisen, sondern von Kutschen und Sänften begleitet und einer großen Anzahl ihrer Bedienten.«
»Mein’ Seel’«, antwortete Sanchica, »ich reite ebenso gern auf einem Esel, als ich in einer Kutsche fahre. Wer wird so viele Umstände machen.«
»Schweig, Mädchen«, sagte Therese, »denn du weißt nicht, was du sprichst, und dieser Herr hat recht, denn wie die Zeiten, so die Sitten, solange er Sancho, Sancha, nun Statthalter, Dame; und ich glaube, ich rede vernünftig.«
»Vernünftiger, als die Señora Therese glaubt«, sagte der Page, »aber gebt mir zu essen und fertigt mich bald ab, denn ich will mich noch heut abend auf den Rückweg machen.«
Worauf der Pfarrer sagte: »Lieber Herr, nehmt lieber bei mir vorlieb, denn die Frau Therese hat mehr den guten Willen als Vermögen, einen so edlen Gast zu bewirten.«
Der Page entschuldigte sich; gab aber endlich doch, zu
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