Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
als wenn Du ein Tier wärst, nach der Demütigkeit, mit welcher Du Dich beträgst. Du mußt wissen, Sancho, daß es sich oft geziemt, ja daß es die Würde eines Amtes oft notwendig macht, der Demut des Herzens zu widerstreben, denn der Schmuck einer Person, welche eine wichtige Stelle bekleidet, muß mit dem übereinstimmen, was sie vorstellt, nicht aber das anzeigen, wohin sie von ihren demütigen Neigungen gelenkt wird. Kleide Dich gut, denn ein aufgeputzter Block sieht keinem Blocke mehr ähnlich; ich meine nicht, daß Du Kleinodien und Juwelen tragen sollst, auch nicht, daß Du Dich wie ein Soldat anziehst, da Du ein Richter bist, sondern daß Du Dich mit einem Kleide schmückst, wie es Dein Amt erfordert, welches reinlich und anständig sei. Um die Liebe des Volkes zu gewinnen, welches Du regierst, hast Du unter anderen zwei Dinge in acht zu nehmen: erstlich, gegen jedermann höflich zu sein, wie ich Dir schon sonst einmal gesagt habe, und zweitens für den Überfluß der Lebensmittel zu sorgen, denn nichts empört die Herzen der Armen mehr als Hunger und Mangel.
Mache nicht viele Gesetze, und wenn Du welche machst, so sorge dafür, daß sie gut sind, vorzüglich aber, daß sie beobachtet und gehalten werden; denn Gesetze, die nicht beobachtet werden, sind eigentlich nicht da; ja sie zeigen vielmehr, daß der Regent, welcher Verstand und Gewalt genug hatte, um sie zu geben, nicht Kraft genug besitzt, um sie beobachten zu machen; und die Gesetze, welche drohen, ohne ausgeübt zu werden, sind nichts anderes wie der Klotz, der König der Frösche, der sie anfangs erschreckte, den sie aber nachher verachteten und auf ihm herumsprangen. Sei ein Vater der Tugenden und ein Stiefvater der Laster. Sei nicht immer strenge, auch nicht immer nachgiebig, sondern wähle das Mittel zwischen diesen beiden Gegensätzen, denn darin besteht der eigentliche Verstand. Besuche die Gefängnisse, die Fleischbänke und die Märkte, denn die Gegenwart des Statthalters an diesen Orten ist von der äußersten Wichtigkeit; sie tröstet die Gefangenen, welche ihre baldige Loslassung erwarten, sie ist ein Schreckbild für die Fleischer, die alsdann richtiges Gewicht geben, und aus derselben Ursache ein Entsetzen der Marktverkäufer. Zeige Dich nicht, wenn Du es auch zum Unglück sein solltest (was ich aber nicht glaube), geizig, wollüstig oder gefräßig, denn wenn das Volk und diejenigen, welche Dich umgeben, eine bestimmte Leidenschaft an Dir kennen, so werden sie dorthin auf Dich zielen, bis sie Dich in den Abgrund des Verderbens geschmettert haben. Die Vorschriften und Ermahnungen, die ich Dir schriftlich gab, ehe Du in Deine Statthalterschaft gingst, überdenke und erwäge sie stets von neuem, und Du wirst sehen, wie Du in ihnen, wenn Du ihnen Folge leistest, einen Beistand hast, der Dir über viele Schwierigkeiten und Mühseligkeiten hinüberhilft, die den Statthaltern bei jedem Schritte in den Weg treten.
Schreibe an Deine Gebieter und zeige Dich ihnen dankbar; denn die Undankbarkeit ist eine Tochter des Stolzes und eine von den größten Sünden, der Mensch aber, der gegen diejenigen dankbar ist, die ihm Gutes getan haben, zeigt, daß er es auch gegen Gott sein wird, der ihm soviel Gutes getan hat und immerwährend tut.
Die Frau Herzogin hat einen Expressen mit Deinem Kleide und einem anderen Geschenke an Deine Frau Therese Pansa abgeschickt, wir erwarten stündlich ihre Antwort. Ich bin etwas unpäßlich gewesen, von einer gewissen Zerkratzung, die nicht zum Besten meiner Nase diente, doch hatte es nichts zu bedeuten; denn wenn es Zauberer gibt, die mich mißhandeln, so gibt es auch andere, die mich beschützen. Gib mir Nachricht, ob der Haushofmeister, den Du bei Dir hast, wohl mit den Schicksalen der Dreischleppina zusammenhängt, wie Du argwöhntest, und benachrichtige mich von allem, was Dir begegnet, denn der Weg ist sehr kurz, auch denke ich sehr bald dieses müßige Leben, in welchem ich mich befinde, aufzugeben, denn ich wurde nicht dazu geboren. Mir ist der Handel aufgestoßen, der, wie ich glaube, mir die Ungnade dieser Herrschaft zuziehen wird; aber so sehr mich das bekümmert, so kümmert es mich doch nicht, denn wahrlich, wahrlich, mehr liegt mir auf alle Fälle ob, die Pflichten meines Standes zu erfüllen, als ihren Beifall zu haben, wie es das Sprichwort ausdrückt: amicus Plato, sed magis amica veritas. Ich schreibe Dir dieses Latein, weil ich mir einbilde, daß Du es wohl, seit Du Statthalter bist, gelernt
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