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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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Scharfsinn besitzt; dessenungeachtet aber sagt mir den ganzen Handel noch einmal, damit ich ihn begreifen kann, vielleicht fügt es sich, daß ich den Mittelkegel treffe.«
    Der Gefragte erzählte hierauf den Fall noch einmal so, wie er ihn erst schon vorgetragen hatte. Sancho sagte: »Nach meiner Meinung kann man diesen Handel in zwei Augenblicken begreifen. Es ist nämlich so: dieser Mann schwört, daß er hingeht, um am Galgen zu sterben, stirbt er, so hat er die Wahrheit beschworen, und er soll nach dem gegebenen Gesetz frei sein und über die Brücke gehen dürfen; hängen sie ihn aber nicht auf, so hat er eine Lüge beschworen, und er verdient nach dem nämlichen Gesetze, daß er aufgehängt werde.«
    »Es ist, wie der Herr Statthalter gesagt hat«, sagte der Bote, »und was das richtige Verständnis des Falles betrifft, so ist hier nichts weiter hinzuzusetzen.«
    »So sage ich denn«, versetzte Sancho, »daß von diesem Menschen die Seite, welche wahr geschworen hat, ungehindert ziehen soll, die aber, welche gelogen hat, soll man aufhängen, und auf die Art kann das Gesetz der Brücke buchstäblich erfüllt werden.«
    »Aber, Herr Statthalter«, versetzte der Fragende, »so wird es nötig sein, daß dieser Mensch in zwei Hälften, in eine lügende und in eine wahrhaftige, geteilt werde, und wenn man ihn teilt, so muß er notwendig sterben; und deswegen geschieht dadurch nichts von dem, was das Gesetz verlangt, welches doch durchaus in Erfüllung gehen soll.«
    »Nun so hört denn, mein guter Freund«, sagte Sancho, »entweder bin ich ein Dummkopf, oder dieser Reisende, von dem Ihr sprecht, hat ebensoviel Recht zu sterben, als zu leben und über die Brücke zu gehen, denn wenn die Wahrheit ihn freispricht, so verdammt ihn ebensogut die Lüge. Da die Sache nun so steht, so ist meine Meinung, diesen Herren zu sagen, die Euch hergeschickt haben, daß, da die Gründe, ihn zu verdammen oder freizusprechen sich einander die Wage halten, sie ihn frei lassen sollen, denn es ist immer löblicher, Gutes zu tun als Böses, und diesen Satz wollte ich mit meinem Namen unterschreiben, wenn ich schreiben könnte. Ich habe auch hierin nicht aus mir selbst gesprochen, sondern mir kam eine Vorschrift ins Gedächtnis, die mir nebst vielen anderen mein Herr Don Quixote den Abend vorher gab, ehe ich als Statthalter in diese Insel kam, daß ich mich nämlich, wenn die Gerechtigkeit zweifelhaft sei, zum Mitleiden neigen sollte, und Gott hat es gefügt, daß ich mich jetzt darauf besonnen habe, weil es hier so unvergleichlich paßt.«
    »Das ist wahr«, antwortete der Haushofmeister, »und ich glaube, daß Lykurgus selbst, der den Lazedämoniern ihre Gesetze gab, kein besseres Urteil hätte sprechen können, als der große Pansa jetzt gesprochen hat; und hiermit mag die Audienz für heute geschlossen sein, und ich will Anstalten machen, daß der Herr Statthalter ganz nach seinem Vergnügen sprechen könne.«
    »Das verlange ich und ehrliches Spiel«, sagte Sancho, »gebt mir zu essen, und dann mögen Prozesse und verwickelte Fälle auf mich herunterregnen, ich will sie alle in die Luft blasen.«
    Der Haushofmeister hielt sein Wort, da es ihm eine Gewissenssache schien, einen so verständigen Statthalter Hungers sterben zu lassen und weil er es auch mit ihm noch in dieser Nacht zu Ende bringen wollte, durch Ausübung des letzten Spaßes, welcher ihm aufgetragen worden war.
    Als er nun an diesem Tage gegen die Regeln und Aphorismen des Doktors Tirteafuera gegessen hatte, kam, während man den Tisch abdeckte, ein Kurier mit einem Briefe von Don Quixote für den Statthalter. Sancho befahl dem Sekretär, ihn für sich zu lesen, und wenn er nichts darin fände, was geheim bleiben müsse, möchte er ihn laut vortragen. Der Sekretär tat es und sagte, nachdem er ihn durchlaufen hatte: »Allerdings kann man ihn laut vorlesen, denn was der Herr Don Quixote Euer Gnaden hier schreibt, verdient gedruckt und in goldenen Buchstaben aufgezeichnet zu werden, es lautet nämlich folgendermaßen:

    Brief des Don Quixote von la Mancha an Sancho Pansa, Statthalter der Insel Barataria:
    »Indem ich Nachrichten von Deinen Unbedachtsamkeiten und albernen Taten zu hören fürchtete, Freund Sancho, höre ich von Deinen Verstandesbeweisen, wofür ich dem Himmel meinen aufrichtigen Dank sage, der aus dem Kote die Armen erheben und aus den Dummen Verständige machen kann. Man sagt mir, daß Du regierest, als wenn Du ein Mensch wärst, und daß Du ein Mensch seist,

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