Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
gesteckt, wie sie es durch die Tat sehen solle. Ich wünschte nicht, daß Ihr in Verwickelungen von Unfrieden mit den Herrschaften gerietet, denn wenn Ihr Euch mit ihnen erzürnt, so wird es natürlich zu meinem Schaden ausfallen; und es wäre nicht gut, daß Ihr mir die Ermahnung gebt, dankbar zu sein, wenn Ihr es selber nicht wäret, und die viele Gnade, die man Euch erzeigt und die Freundschaft, mit der man Euch im Schlosse bewirtet hat, vergessen könntet.
Das von der Zerkratzung verstehe ich nicht; ich bilde mir aber ein, daß es wohl wieder eine von den nichtsnutzigen Taten sein wird, womit Euch die bösen Zauberer zu verfolgen pflegen; ich werde es ja erfahren, wenn wir uns wiedersehen. Ich möchte Euch wohl irgend etwas schicken; aber ich weiß nicht, was ich schicken könnte, es müßten einige Zwicker, Kneipzangen oder auch Schröpfer sein, die man in dieser Insel sehr fein ausarbeitet, wenn aber mein Amt länger währt, so will ich doch suchen, Euch irgend etwas von Gehalt zu schenken. Wenn meine Frau Therese Pansa an mich schreibt, so legt doch das Postgeld aus und schickt mir den Brief, denn ich wünsche von ganzem Herzen zu wissen, wie es in meinem Hause steht und was meine Frau und Kinder machen. Gott erlöse übrigens Euer Gnaden von den schlechtdenkenden Zauberern und nehme mich in Ruhe und Frieden aus dieser Statthalterschaft, woran ich aber zweifle, denn ich werde sie wohl nur mit dem Leben verlassen, so wie der Doktor Pedro Recio mit mir umgeht.
Euer gehorsamer Diener
Sancho Pansa, der Statthalter«
Der Sekretär siegelte den Brief und schickte den Kurier sogleich ab; in eben dem Augenblicke machten diejenigen, die mit Sancho Spaß trieben, alle nötigen Anstalten, um ihm von der Statthalterschaft zu helfen. Diesen Abend brachte Sancho damit zu, einige Verordnungen zu machen, die auf die gute Verfassung dessen abzweckten, was er für eine Insel hielt. Er befahl nämlich, daß es keine Aufkäufer von Lebensmitteln im Staate geben sollte, und daß man den Wein verschreiben könne, von wo man wolle, mit der Bedingung, daß der Ort angezeigt werde, von wo er sei, um ihn nach dem Werte und nach seiner Güte zu taxieren; wer ihn aber mit Wasser mische oder ihm einen anderen Namen gebe, solle mit dem Leben gestraft werden. Er setzte den Preis alles Lederwerks herunter, vorzüglich der Schuhe, die ihm ausnehmend teuer schienen; er machte für die Dienstboten einen bestimmten Lohn aus, die ohne alle Beschränkung nur ihrem Eigennutze folgten. Sehr schwere Strafen bestimmte er für diejenigen, die wollüstige und anstößige Lieder am Tage und in der Nacht absängen. Er befahl, daß kein Blinder Wundergeschichten in Reimen singen sollte, wenn er nicht einen gültigen Zeugen aufstellen könne, daß es wahr sei, weil er meinte, daß die meisten Wunder, die die Blinden absängen, erdichtet wären und den wahrhaftigen zum Nachteil gereichten. Er setzte einen Alguazil über die Armen, nicht damit er sie verfolgen, sondern daß er untersuchen sollte, ob sie arm wären, denn unter dem Scheine des erdichteten Mangels und verstellter Krankheit sind die Bettler Diebe und Trunkenbolde. Kurz, er machte so treffliche Verordnungen, daß sie in jenem Orte noch bis auf den heutigen Tag beobachtet werden und den Namen führen: Die Einrichtungen des großen Statthalters Sancho Pansa.
52. Kapitel
Erzählt das Abenteuer der zweiten Dueña Schmerzenreich oder Beängstigt, mit einem anderen Namen Doña Rodriguez genannt.
Cide Hamete erzählt, daß, als Don Quixote nun von seiner Verletzung wiederhergestellt war, es ihm schien, das Leben, welches er in diesem Schlosse führe, sei ganz gegen die Regel der Ritterschaft, der er sich gewidmet habe, und er daher beschloß, von dem Herzogspaar die Erlaubnis zu begehren, nach Saragossa zu reisen, wo die Festlichkeiten sich nahten, in denen er den Harnisch zu gewinnen dachte, welcher bei diesen Spielen zum Preise ausgesetzt wird. Indem er nun eines Tages mit dem Herzogspaar zu Tisch saß und eben anfing, seinen Vorsatz ins Werk zu setzen und um die Erlaubnis zu bitten, siehe, da kamen plötzlich durch die Tür des großen Saales herein zwei Weiber, wofür man sie nachher erkannte, in Trauer eingehüllt von Kopf zu Füßen, und die eine von ihnen, sich Don Quixote nähernd, warf sich vor ihm nieder, so lang sie war, ihren Mund auf den Fuß des Don Quixote geheftet, wobei sie so traurige, so tiefe und schmerzliche Seufzer ausstieß, daß alle, die sie sahen und hörten, in
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