Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
gebunden und der Strick um den Hals gelegt war, so daß er seinen Tod erwartete.
Der Vizekönig betrachtete ihn, und da er ihn so schön, edel und demütig fand, faßte er den Entschluß, seinen Tod zu verhindern, indem in diesem Augenblicke seine Schönheit einen Empfehlungsbrief abgab. Darum fragte er ihn: »Sage mir, Anführer, bist du ein Türke von Geburt, oder ein Maure, oder ein Renegat?«
Worauf der Jüngling in der nämlichen kastilianischen Sprache antwortete: »Weder bin ich ein Türke von Geburt, noch ein Maure, noch ein Renegat.«
»Aber was bist du denn?« versetzte der Vizekönig.
»Ein christliches Mädchen«, antwortete der Jüngling.
»Ein christliches Mädchen, in dieser Kleidung und in dieser Lage? Darüber mag man sich leicht wundern, es aber schwerer glauben.«
»Schiebt noch«, sagte der Jüngling, »meine Hinrichtung auf, denn Eure Rache wird nichts dabei verlieren, wenn Ihr sie noch so lange verzögert, bis ich Euch die Geschichte meines Lebens erzählt habe.«
Welches Herz wäre wohl so hart gewesen, das sich bei diesen Worten nicht erweicht hätte, wenigstens um das anzuhören, was der betrübte und klagende Jüngling erzählen wollte? Der General sagte, er möchte sprechen, was er wolle; er möge aber nicht hoffen, Verzeihung für seine offenbare Schuld zu erlangen. Mit dieser Erlaubnis fing der Jüngling auf folgende Weise an:
»Unter jener Nation, die mehr unglückselig als weise war und auf welche seit kurzem ein Meer von Elend herniedergeregnet ist, wurde ich geboren, von maurischen Eltern erzeugt. In dem Lauf meines Unglücks wurde ich von zwei Oheimen nach der Berberei geführt, ohne daß es mir etwas half, daß ich sagte, ich sei eine Christin, wie ich es in der Tat bin, und zwar keine von den verstellten und scheinbaren, sondern von den wahrhaftigen und katholischen. Aber daß dies die Wahrheit war, galt bei denen nichts, die das Amt hatten, unsere unglückliche Verbannung zu besorgen, ebensowenig wollten es meine Oheime glauben, sondern sie hielten es für Lüge und Erfindung von mir, um nur in dem Lande zu bleiben, in welchem ich geboren war, und deshalb nahmen sie mich mit sich, indem ich weniger freiwillig ging als mit Gewalt gezwungen wurde. Ich hatte eine christliche Mutter und einen verständigen und christlichen Vater; ich sog den katholischen Glauben schon mit der Muttermilch ein und wurde in guten Sitten auferzogen; weder in der Sprache noch in Sitten glaubte ich mich jemals als eine Moriske zu zeigen. Mit diesen Tugenden, denn dafür halte ich sie, nahm meine Schönheit zu, wenn ich einige besitze, und ob ich gleich sehr einsam und zurückgezogen lebte, so mußte dies doch nicht so sehr der Fall sein, daß ein junger Ritter nicht Gelegenheit gefunden hätte, mich zu sehen, welcher Don Gaspar Gregorio hieß, der älteste Sohn eines Ritters, der neben unserem Wohnsitz den seinigen hatte. Wie er mich sah, mit mir sprach, sich in mich verliebte und ich ihm noch nicht sehr zugetan war, wäre zu weitläufig zu erzählen, besonders in einer Zeit, in der ich fürchten muß, daß dieses grausame Seil, welches mir droht, sich zwischen meine Zunge und Kehle drängt; ich will also nur sagen, wie mich bei meiner Verbannung Don Gregorio begleiten wollte. Er mischte sich unter die Morisken, die von anderen Orten kamen, weil er ihre Sprache sehr gut zu reden wußte, und auf dem Wege ward er der Freund von meinen beiden Oheimen, mit denen ich gehen mußte: denn mein kluger und vorsichtiger Vater entfernte sich, sowie er den ersten Befehl wegen unserer Verbannung gehört hatte aus unserem Ort, um in fremden Reichen einen solchen zu suchen, der uns aufnehmen könnte. An einer Stelle, um welche ich allein nur weiß, hatte er viele Perlen und Steine von großem Werte verborgen und eingegraben, auch eine Summe Geldes in goldenen Dublonen. Er gebot mir, daß ich diesen Schatz auf keine Weise anrühren solle, wenn wir auch vielleicht eher vertrieben würden, als er zurückkäme. Dieses tat ich, und kam, wie schon gesagt, mit meinen Oheimen und anderen Verwandten und Bekannten in der Berberei an, und der Ort, in welchem wir uns niederließen, war Algier, welches für mich die Hölle selber war. Der König bekam Nachricht von meiner Schönheit, auch sagte ihm das Gerücht von meinen Reichtümern, welches noch zum Teil mein Glück war. Er ließ mich vor sich kommen und fragte mich, aus welchem Teile von Spanien ich sei und wieviel Geld und Juwelen ich bei mir hätte. Ich nannte ihm die
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