Don Quixote
Stallmeisters lag, rief er aus: »Bei Gott, dieses ist ein großes Wunder! Der Bart ist ihm vom Gesichte so rein herunter, als wenn man ihm solchen mit Fleiß abgenommen hätte!«
Als der Pfarrer sah, welche Gefahr sein Anschlag lief, entdeckt zu werden, sprang er schnell nach dem Barte und ging mit ihm nach dem Meister Nicolas, der noch immer lag und klagte. Mit einem Wurfe drückte er sich den Kopf des Barbiers gegen die Brust, setzte ihm den Bart an, murmelte einige Worte darüber, wovon er sagte, daß es ein trefflicher Spruch sei, Bärte festzumachen, wie man gleich sehen würde; und als er den Bart festgemacht, ging er wieder fort, und der Stallmeister war so bärtig und so gesund, wie er nur zuvor gewesen, worüber sich Don Quixote über die Maßen verwunderte und den Pfarrer bat, daß er ihm bei Gelegenheit diesen Spruch lehren möge, weil er meine, daß sich seine Kraft wohl noch weiter erstrecken müsse, als Bärte festzumachen; denn es wäre ja deutlich, indem der Bart abgerissen, müsse auch die Haut mitgegangen und verletzt sein, und da alles wieder glücklich geheilt, müsse dies auch auf mehr als nur auf Bärte Einfluß haben. »So verhält es sich«, sagte der Pfarrer und versprach, ihm diesen Spruch bei erster Gelegenheit zu lehren.
Es wurde ausgemacht, daß jetzt der Pfarrer aufsitzen sollte, nachher sich aber die drei nach gewissen Zwischenräumen ablösen möchten, bis sie die Schenke erreichten, die nur zwei Meilen entfernt war.
Da nun die drei zu Pferde, nämlich Don Quixote, die Prinzessin und der Pfarrer, und drei zu Fuße, Cardenio, der Barbier und Sancho Pansa, sprach Don Quixote zur Jungfrau: »Führe Eure durchlauchtige Hoheit mich nunmehr hin, wohin es Ihr am besten gefällt.« Und noch ehe sie antwortete, sagte der Lizentiat : »Nach welchem Reiche will Eure Hoheit? Vielleicht nach dem Mikomikonischen? Ja, so muß es sein, oder ich verstehe wenig von Königreichen.«
Sie, die sich in alles zu schicken wußte, merkte wohl, daß sie es bejahen müsse, und antwortete: »Ja, mein Herr, nach diesem Königreiche ist mein Weg gerichtet.«
»Wenn dem also ist«, sagte der Pfarrer, »so müssen wir gerade durch unsern Wohnort reisen; von dort könnt Ihr den Weg nach Cartagena nehmen, Euch dort mit günstiger Gelegenheit einschiffen und, wenn Ihr dann guten Wind und ruhige Fahrt habt, in ungefähr neun Jahren am Eingange des Kaspischen Meers oder Kaspisser Sees sein, der nicht mehr über hundert Tagereisen von dem Reiche Eurer Hoheit entfernt liegt.«
»Ihr irrt hierin, mein werter Herr«, sagte sie; »denn es sind noch nicht zwei Jahre, seitdem ich abreisete, und ich habe in Wahrheit nicht immer gutes Wetter gehabt, und dennoch bin ich schon in der Gegenwart dessen, den ich so sehr zu sehen wünschte, nämlich des zu verehrenden Don Quixote von la Mancha, von dem mir das Gerücht sagte, sowie ich nur meinen Fuß auf spanischen Boden setzte, wodurch ich auch bewogen bin, ihn aufzusuchen, mich seinem Edelmute zu vertrauen und meine gerechte Sache der Tapferkeit seines unüberwindlichen Arms anheimzustellen.«
»Nicht weiter, man unterlasse dergleichen Lobpreisungen«, unterbrach hier Don Quixote; »denn ich bin ein Feind jeglicher Schmeichelei, und obgleich dieses keine ist, so werden dennoch durch dergleichen Reden meine keuschen Ohren verletzt. Nur das, meine Gebieterin, versichere ich: Mag ich Tapferkeit besitzen oder nicht, so soll diejenige, die ich nur habe, immer in Eurem Dienste, bis zu meinem letzten Blutstropfen, aufgewendet werden. Wir wollen dieses aber seiner Zeit überlassen, und ich bitte vielmehr den Herrn Lizentiaten, mir zu erzählen, was ihn in diese einsamen Gegenden geführt habe, so ohne Diener und so leicht gekleidet, daß ich mich billig darüber verwundern muß.«
»Ich will mit wenigem darauf antworten«, sagte der Pfarrer. »Ihr müßt also wissen, mein gnädiger Herr Don Quixote, daß ich und Meister Nicolas, unser Freund und Barbier, nach Sevilla gingen, um eine Summe Geldes abzuholen, die mir ein Verwandter, der seit vielen Jahren in Indien lebt, geschickt hatte. Es war keine Kleinigkeit; denn es waren zweitausend Taler, in gutem Silber, und das will schon etwas sagen. Wie wir nun gestern durch diese Gegend gingen, überfielen uns vier Straßendiebe, die uns rein bis auf die Bärte ausplünderten; ja, dem Barbier ist es so übel bekommen, daß er sich jetzt wirklich genötigt sieht, einen falschen Bart zu tragen. Und auch diesen jungen Menschen da« – indem
Weitere Kostenlose Bücher