Don Quixote
seufzen, welches von beiden, vom Ritter und Stallmeister, für ein gutes Zeichen und eine glückliche Vorbedeu tung gehalten wurde, obgleich, die Wahrheit zu sagen, das Seufzen und Gebrüll des Grauen länger währte als das Wiehern des Rozinante, woraus Sancho den Schluß zog, daß sein Glück dasjenige seines Herrn übersteigen und bei weitem übertreffen würde, wiewohl man nicht weiß, ob er sich auf die astrologia iudiciaria stützte, die er innehaben mochte, wenn dessen gleich die Historie nicht ausdrücklich erwähnt. Man hörte ihn nur das behaupten: daß, wenn er stolperte oder fiel, er sich gefreut haben würde, nicht aus dem Hause gegangen zu sein; denn aus diesem Stolpern und Fallen ergäbe sich nichts anderes als zerrissene Schuhe oder zerschlagene Rippen. Und ob er gleich ein Tor war, so verfehlte er hierin doch nicht völlig den rechten Weg.
Don Quixote sprach zu ihm: »Freund Sancho, die Nacht nimmt immer mehr und mehr zu, so wie wir weiterreisen, und die Finsternis wird dichter, als wir sie nötig hätten, um am Tage Toboso zu erblicken, wohin ich zu gehen entschlossen bin, ehe ich mich in ein anderes Abenteuer einlasse. Dort will ich den Segen und den freundlichen Urlaub der unvergleichlichen Dulcinea mit mir nehmen, mit welchem Urlaub ich überzeugt bin, jedes noch so gefährliche Abenteuer glücklich beendigen zu können; denn nichts in dieser Welt macht die irrenden Ritter so tapfer, als wenn sie sich von ihren Damen begünstigt sehen.«
»Das ist auch mein Glaube«, antwortete Sancho; »ich halte es aber für schwer, daß Ihr mit ihr sprechen oder sie sehen könnt, wenigstens an solchem Orte, wo Ihr ihren Segen empfangen könnt, wenn sie ihn nicht von der Hofmauer herunter geben will, wo ich sie damals sah, als ich ihr den Brief brachte, der von Eueren Narrheiten und Unsinnigkeiten Meldung tat, die Ihr im Herzen des Schwarzen Gebirges ihretwegen vornahmt.«
»Hofmauern spiegelten sich dir vor, jenes zu sein, Sancho«, sagte Don Quixote, »wo oder in welchen du die in Ewigkeit nicht hinlänglich gepriesenen Reize und Schönheit erblicktest. Galerien, Altane oder Balkone mußten es sein, oder wie man derglei chen sonst bei herrlichen und königlichen Palästen benennen mag.«
»Das konnte alles sein«, antwortete Sancho; »mir schien es eine Wand, wenn mich mein Gedächtnis nicht ganz verläßt.«
»Dennoch wollen wir hinziehen, Sancho«, versetzte Don Quixote; »denn wenn ich sie nur sehe und sie mir jenes erteilt, sei es nun über eine Wand oder am Fenster oder durch die Jalousien oder durch das Gitter eines Gartens, so wird jeder Strahl, der von der Sonne ihrer Schönheit meine Augen trifft, meinen Verstand so erleuchten und mein Herz dergestalt ermutigen, daß ich einzig und unvergleichlich sowohl in der Verständigkeit wie in der Tapferkeit sein werde.«
»Aber wahrhaftig, gnädiger Herr, als ich diese Sonne der Dame Dulcinea von Toboso ansichtig wurde, war sie nicht ganz im Klaren, so daß sie hätte Strahlen von sich werfen können, was wohl daher rühren mochte, weil die Gnädige eben, wie schon gesagt, Getreide fegte, so daß der Staub, den sie erregte, sich wie eine Wolke vor ihr Angesicht lagerte und es dadurch verdunkelte.«
»Wie kommst du doch immer wieder darauf, Sancho«, sagte Don Quixote, »zu denken und zu behaupten, zu glauben und darauf zu bestehen, daß meine Dame Dulcinea Getreide gefegt habe, da dieses eine Arbeit und Tätigkeit ist, die weit aus dem Wege von dem liegt, womit sich vornehme Personen beschäftigen und beschäftigen sollen, die zu solcher Tätigkeit und Unterhaltung eingerichtet und erzogen sind, daß man schon auf einen Büchsenschuß ihren vornehmen Stand erkennt? Du erinnerst dich wenig jener Verse, Sancho, in denen unser Poet die Arbeit beschreibt, die in ihren kristallenen Gemächern jene vier Nymphen vornahmen, welche aus dem geliebten Tajo ihre Häupter erhoben und sich auf die grüne Wiese niederließen, um jene kostbaren Gewebe zu wirken, die uns der sinnreiche Poet beschreibt und die ganz aus Gold, Seide und Perlen zusammengefügt waren. Von solcher Art mußte auch die Beschäftigung meiner Dame sein, als du sie erblicktest, wenn nicht der Neid, den irgendein böser Zauberer zu mir trägt, alle meine kostbarsten Güter in unwürdige Gestalten und in ihr Gegenteil entstellt und verwandelt. So fürchte ich auch, daß in der Historie, die von meinen Taten gedruckt sein soll, wenn vielleicht ihr Autor ein Weiser und mein Feind gewesen, ein Ding
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