Don Quixote
verlange ich und ehrliches Spiel«, sagte Sancho, »gebt mir zu essen, und dann mögen Prozesse und verwickelte Fälle auf mich herunterregnen, ich will sie alle in die Luft blasen.«
Der Haushofmeister hielt sein Wort, da es ihm eine Gewissenssache schien, einen so verständigen Statthalter Hungers sterben zu lassen, und weil er es auch mit ihm noch in dieser Nacht zu Ende bringen wollte, mit Ausführung des letzten Spaßes, welcher ihm war aufgetragen worden.
Als er nun an diesem Tage gegen die Regeln und Aphorismen des Doktor Tirteafuera gegessen hatte, kam, indessen man den Tisch abdeckte, ein Kurier mit einem Briefe von Don Quixote für den Statthalter. Sancho befahl dem Sekretär, ihn für sich zu lesen, und wenn er nichts darin fände, was geheim bleiben müsse, möchte er ihn laut vortragen. Der Sekretär tat es und sagte, nachdem er ihn durchlaufen hatte: »Allerdings kann man ihn laut vorlesen, denn was der Herr Don Quixote Euer Gnaden hier schreibt, verdient gedruckt und in goldenen Buchstaben aufgezeichnet zu werden; es lautet nämlich folgendergestalt:
Brief des Don Quixote von la Mancha
an Sancho Pansa, Statthalter der Insel Barataria
Indem ich Nachrichten von Deinen Unbedachtsamkeiten und albernen Taten zu hören fürchtete, Freund Sancho, höre ich von Deinen Verstandesäußerungen, wofür ich dem Himmel meinen aufrichtigen Dank sage, der ›aus dem Kote die Armen erheben‹ und aus den Dummen Verständige machen kann. Man sagt mir, daß Du regierst, als wenn Du ein Mensch wärst, und daß Du ein Mensch seist, als wenn Du ein Tier wärst, nach der Demütigkeit, mit welcher Du Dich beträgst. Du mußt wissen, Sancho, daß es sich oft geziemt, ja daß es die Würde eines Amtes oft notwendig macht, der Demütigkeit des Herzens zu widerstreben, denn der Schmuck einer Person, welche eine wichtige Stelle bekleidet, muß mit dem übereinstimmen, was sie vorstellt, nicht aber anzeigen, wohin sie von ihren demütigen Neigungen gelenkt wird. Kleide Dich gut, denn ein aufgezierter Block sieht keinem Blocke mehr ähnlich; ich meine nicht, daß Du Kleinodien und Juwelen tragen sollst, auch nicht, daß Du Dich wie ein Soldat anziehst, da Du ein Richter bist, sondern daß Du Dich mit einem Kleide schmückst, wie es Dein Amt erfordert, und daß diese Tracht reinlich und anständig sei. Um die Liebe des Volks zu gewinnen, welches Du regierst, hast Du unter andern zwei Sachen in acht zu nehmen: erstlich, gegen jedermann höflich zu sein, wie ich Dir schon sonst einmal gesagt habe, und zweitens, für den Überfluß der Lebensmittel zu sorgen, denn nichts empört die Herzen der Armen mehr als Hunger und Mangel.
Mache nicht viele Gesetze, und wenn Du welche machst, so sorge dafür, daß sie gut sind, vorzüglich aber, daß sie beobachtet und gehalten werden: denn Gesetze, die nicht beobachtet werden, sind eigentlich nicht da; ja, sie zeigen vielmehr, daß der Regent, welcher Verstand und Gewalt genug hatte, um sie zu geben, nicht Stärke genug besitzt, um sie beobachten zu machen; und die Gesetze, welche drohen, ohne ausgeübt zu werden, sind nicht anders wie der Klotz, der König der Frösche, der sie anfangs erschreckte, den sie aber nachher verachteten und auf ihm herumsprangen. Sei ein Vater der Tugenden und ein Stiefvater der Laster. Sei nicht immer streng, auch nicht immer nachgiebig, sondern wähle das Mittel zwischen diesen beiden Gegensätzen, denn darin besteht der eigentliche Verstand. Besuche die Gefängnisse, die Fleischbänke und die Märkte, denn die Gegenwart des Statthalters an diesen Orten ist von der äußersten Wichtigkeit: sie tröstet die Gefangenen, welche ihre baldige Loslassung erwarten, sie ist ein Schreckbild für die Fleischer, die alsdann richtiges Gewicht geben, und aus derselben Ursache ein Entsetzen der Marktverkäufer. Zeige Dich nicht, wenn Du es auch zum Unglück sein solltest – was ich aber nicht glaube –, geizig, wollüstig oder gefräßig, denn wenn das Volk und diejenigen, welche Dich umgeben, eine bestimmte Leidenschaft an Dir kennen, so werden sie von dort aus auf Dich zielen, bis sie Dich in den Abgrund des Verderbens geschmettert haben. Lies und wiederhole das Lesen, erwäge und erwäge von neuem die Vorschriften und Ermahnungen, die ich Dir schriftlich gab, ehe Du in Deine Statthalterschaft gingst, und Du wirst sehen, wie Du in ihnen, wenn Du ihnen Folge leistest, eine Beisteuer hast, die Dich über viele Schwierigkeiten und Mühseligkeiten hinüberhilft, die den
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