Don Quixote
Quixote, sei es nun auch, wer es sei, sich zu einem Ringrennen eingefunden habe, ohne Erfindungen, armselig in seinem Motto, jämmerlich in den Livreen und nur reich an albernen Streichen.
»Dieser Ursache wegen«, antwortete Don Quixote, »will ich keinen Fuß nach Saragossa setzen, und so soll die ganze Welt die Lügen dieses neuen Geschichtschreibers erkennen, damit die Leute einsehen, wie ich nicht der Don Quixote bin, von dem er erzählt.«
»Daran tut Ihr wohl«, sagte Don Geronimo, »es gibt auch noch andere Turniere in Barcelona, wo der Herr Don Quixote seine Tapferkeit zeigen kann.«
»Das denke ich auch zu tun«, sagte Don Quixote, »jetzt aber bitte ich um gütige Entschuldigung, denn es ist Zeit, zu Bett zu gehen, setzt mich aber von nun an unter die Anzahl Eurer treuesten Freunde und Diener.«
»Und mich ebenfalls«, sagte Sancho, »vielleicht werde ich doch zu etwas taugen.«
Hiermit nahmen sie Abschied voneinander, und Don Quixote und Sancho gingen in ihr Zimmer, indem Don Juan und Don Geronimo über die Vermischung in Erstaunen gesetzt waren, in der sie seinen Verstand und seine Narrheit gesehen hatten, so daß sie wirklich glauben mußten, diese seien der wirkliche Don Quixote und Sancho, nicht aber die, welche der aragonesische Verfasser beschrieben hatte.
Don Quixote stand früh auf, und indem er an die Wand des andern Zimmers pochte, nahm er von seinen Wirten Abschied. Sancho bezahlte dem Schenkwirte reichlich und riet ihm, weniger den Vorrat seiner Schenke zu loben oder sie besser zu versorgen.
8. [60.] KAPITEL
Was dem Don Quixote begegnete, als er nach Barcelona
ging
Der Morgen war frisch und gab Anzeigen, daß der ganze Tag ebenso sein würde, an welchem Don Quixote die Schenke verließ, der sich vorher erkundigt hatte, welches der nächste Weg nach Barcelona sei, ohne Saragossa zu berühren; so sehr war er darauf bedacht, den neuen Geschichtschreiber, der, wie er gehört, ihn so geschmäht hatte, als einen Lügner erscheinen zu lassen. Es fügte sich, daß ihm in vier bis sechs Tagen nichts begegnete, welches des Niederschreibens würdig gewesen, nach welcher Zeit ihn die Nacht einmal, da er sich vom Wege entfernt hatte, unter einigen dicken Eichen oder auch Korkbäumen überfiel, denn hierin ist Cide Hamete nicht so genau, wie er es in andern Dingen zu sein pflegt. Herr und Diener stiegen von ihren Tieren ab, und nachdem sie sich unter den Zweigen der Bäume hingestreckt hatten, rannte Sancho, der an diesem Tage viel geschmaust hatte, ohne Umstände in die Tore des Schlafes; Don Quixote aber, den seine Phantasien noch mehr als der Hunger wach erhielten, konnte kein Auge zutun, sondern schweifte und kreuzte mit seinen Gedanken durch tausend verschiedene Gebiete. Bald glaubte er in der Höhle des Montesinos zu sein, bald sah er die in eine Bäuerin verwandelte Dulcinea rennen und auf die Eselin springen, bald ertönten in seinen Ohren die Worte des weisen Merlin, der ihm die Bedingungen und die Weise entdeckte, durch welche allein nur die Entzauberung der Dulcinea geschehen könne. Er war in Verzweiflung, wenn er die Saumseligkeit, das wenige Mitleid seines Stallmeisters Sancho betrachtete, der sich, soviel er wußte, allererst fünf Streiche gegeben hatte, eine nur geringe und unbeträchtliche Anzahl gegen die vielen, die ihm noch übrig waren; darüber stieg ein solcher Verdruß und Zorn in ihm auf, daß er zu sich selbst sagte: Wenn Alexander Magnus den Gordischen Knoten mit den Worten entzweihieb: »Gleichviel, entzweihauen oder auflösen!«, und er dessenungeachtet der unumschränkte Herr von ganz Asien wurde, so kann sich auch ein Gleiches jetzt mit der Entzauberung der Dulcinea zutragen, wenn ich den Sancho auch gegen seinen Willen geißele: denn wenn die Bedingung dieser Erlösung die ist, daß Sancho dreitausend und mehr Streiche empfange, was kümmert's mich, ob er sie sich gibt oder sie ihm ein anderer zuteilt, denn das Wesentliche besteht darin, daß er sie empfange, mögen sie auch herkommen, woher sie immer wollen.
Mit diesen Gedanken näherte er sich dem Sancho, nachdem er vorher den Zaum des Rozinante genommen und ihn so zurechtgemacht hatte, daß dieser ihm zur Geißel dienen konnte, und fing an, ihm den Gürtel aufzulösen; – man meint, dieser habe nur vorn eine Schleife gehabt, von welcher seine Beinkleider gehalten wurden –, er war ihm aber kaum nahe gekommen, als Sancho auch gleich ganz wach wurde und sagte: »Was ist das, wer faßt mich an und macht mir
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