Donaugrund (German Edition)
aber feinen Wohnung am östlichen Rand der Regensburger Altstadt, die ich trotz der ständigen Parkplatzprobleme niemals aufgeben würde, und stolze Besitzerin von Wenzel, den Sie ja bereits kennengelernt haben.
So weit die Rahmenbedingungen – alles Weitere werden Sie zu gegebener Zeit über mich erfahren.
Für diejenigen, die bereits wissen, mit welchem Ausbund an Diplomatie, Charme und Intelligenz sie es hier zu tun haben: Schön, dass Sie wieder hier sind! Sie haben mir gefehlt. Was Sie in den letzten Monaten so verpasst haben? Ach, nicht viel eigentlich. Kein spannender Fall, keine lebensbedrohliche Situation … Wie, privat meinen Sie?
So ein Zufall, gerade jetzt hebt Hannes ab …
»Hallo, Sarah«, hörte ich ihn verschlafen murmeln. »Ist was passiert?«
Normalerweise vermied ich es, Hannes vor neun Uhr morgens zu kontaktieren – sein Job als Werbetexter erlaubte ihm einen späten Arbeitsbeginn, um den ich ihn glühend beneidete. »Wie man’s nimmt. Wie sehr hängst du an deiner Sonnenbrille?«
»Meinst du die ›Tommy Hilfiger‹, die ich bei dir vergessen habe?«, fragte er, nun eindeutig wacher.
»Ja, genau die. Die ein bisschen so aussieht, als wäre sie aus der letzten Saison«, versuchte ich, den Wert der Sonnenbrille möglichst gering anzusetzen.
»Was? Das nennt man ›retro‹, Schätzchen. Diese Sonnenbrille ist exakt drei Monate alt. Und jetzt sag, was du mit meinem Baby gemacht hast.« Plötzlich klang er hellwach. Und ein klein wenig panisch.
»Draufgesetzt.«
»Oh. Und welchen Eindruck hat deine elfengleiche Kehrseite hinterlassen?«
»Definitiv einen bleibenden. Die Brille ist Schrott«, sagte ich. Nachdem Hannes stumm blieb, bot ich an: »Ich bestell dir eine neue.« Und einen Buddhismus-Ratgeber, fügte ich in Gedanken hinzu: Endlich frei! Verzicht auf materielle Güter leicht gemacht.
»Nein, lass gut sein, Schätzchen«, antwortete er schließlich zögerlich. »Gib mir am Wochenende einfach einen Cocktail aus, dann passt das schon.«
Damit ließ es sich leben, beschloss ich. Vielleicht wurde der Tag heute doch besser als erwartet.
»Na, bist du schon nervös?«, hörte ich Hannes neugierig fragen. Wenn ich mich nicht sehr in meinem besten Freund täuschte, setzte er bei dieser Frage ein Grinsen auf, das an Süffisanz, Schadenfreude und belustigter Sensationsgier nicht zu überbieten war. Meine Hoffnung, dass sich dieser trübe Mittwoch doch noch zum Guten wenden würde, verflüchtigte sich. Dabei war es erst Viertel nach acht.
»Nein, nur genervt«, antwortete ich ruppig. »Ich habe verschlafen, meine Haare sehen mehr denn je nach Wischmopp aus, ich hab schon wieder einen Strafzettel bekommen, und zu allem Überfluss ist es seit heute so weit: Ich passe nicht mehr in meine Lieblingsjeans.«
»Oh«, sagte Hannes tief betroffen. Ja, »oh« hatte ich mir heute Morgen auch gedacht. Es war beileibe nichts Neues, dass sich mein Appetit indirekt proportional zu den Außentemperaturen verhielt. Trotzdem war der erste Tag, an dem ich mich den Tatsachen in Form von etwas großzügiger geschnittenen Klamotten stellen musste, jedes Jahr wieder frustrierend.
Es ist tatsächlich ziemlich deprimierend, finden Sie nicht auch? Nicht dass ich unter Komplexen leide … Na ja, nur manchmal, an schlechten Tagen (so wie heute). Im Großen und Ganzen halte ich mich zwar nicht für sensationell, aber immerhin für passabel geraten, mit einer Figur, die zwischen weiblich-schlank (Sommer) und weiblich-griffig (Winter) schwankt. Was mich an dieser leidigen Lieblingsjeans-Angelegenheit hauptsächlich frustriert, ist die Tatsache, dass sie für mich die Funktion eines Mahnmals hat. Eines Sinnbildes dafür, dass jeder eigenen Handlung eine unabwendbare Konsequenz folgt.
Zu viel gefuttert – Lieblingsjeans ade.
Zu viele Schuhe gekauft – Konto überzogen.
Zu viel geraucht – frühzeitige Hautalterung.
Zu viel Alkohol getrunken – Leberzirrhose.
Diese Liste lässt sich beliebig lange fortsetzen, und das ärgert mich. Willkommen im Leben, werden Sie sich jetzt denken. Ja, ja, ich weiß …
Zurück zu Hannes (der übrigens ein Meister des »Zuviel« ist – komischerweise schert er sich um die Konsequenzen meistens einen feuchten Kehricht).
»Arme Sarah«, fuhr er mitfühlend fort. »Aber du musst positiv denken: Heute ist der fünfte November. Endlich ist unser Leckerbissen Raphael wieder aus dem Urlaub zurück!«
»Halleluja«, seufzte ich resigniert. »Der fehlt mir
Weitere Kostenlose Bücher