Donaugrund (German Edition)
auch die Pausen der Kollegen in einem knappen Rahmen hielten, so hätte man sich hier mit Sicherheit ab und an auf ein bisschen Small Talk oder Informationsaustausch getroffen. Bei HEUREKA hingegen schien die Küche fast ausschließlich als Kaffeestation genutzt zu werden. Die – natürlich orangefarbene – Couch stand wie verwaist da, den großen, an einen handlichen Laptop angeschlossenen Flachbildschirm, der wohl als Teststation für die von HEUREKA selbst entwickelten Spiele diente, hatte Raphael bis jetzt nur in einem Zustand, nämlich abgeschaltet, gesehen, und die Esstische mit Platz für gut zwanzig Leute fristeten mit ihren hochgestellten Stühlen ein ziemlich trauriges Dasein, so aus Esstisch-Sicht betrachtet. Ebenso, und das fand Raphael am schlimmsten, das Frühstücksbuffet, das auf der Arbeitsplatte neben der Kaffeemaschine aufgebaut war. Während sich sein Milchkaffee zischend in die Tasse ergoss, liebäugelte er mit den frischen Semmeln. Dem Schinken. Dem Obstberg. Dem Müsli. Dem O-Saft, wenn nicht frisch gepresst, so doch optisch wenigstens ziemlich nah dran. Jordan, vergiss es, das kannst du echt nicht bringen!
»Wisst ihr beide eigentlich schon, was ihr macht?«, riss Moritz ihn aus seinen Gedanken.
»Wie meinst du das?« Raphael warf ihm einen irritierten Blick zu. Wahrscheinlich war sein Gehirn noch zu sehr mit der Vorstellung, herzhaft in eine Salamisemmel zu beißen, beschäftigt und konnte deshalb nicht nachvollziehen, wovon Moritz redete.
»Na, wegen München, meine ich.«
»München?« Keine Ahnung, was Moritz da laberte.
»Ja, München«, antwortete Moritz grinsend. »Sag mal, du bist heute auch noch nicht so richtig wach, oder? Gehst du mit, zurück nach München?«
»Warum sollte ich? Und mit wem soll ich mitgehen?« Raphael verstand kein Wort, und das änderte sich auch nicht, als Moritz erstaunt die Augen aufriss. »Jetzt sag schon.«
»Vergiss es.«
»Ich vergesse gar nichts«, antwortete Raphael barsch. Was waren das für kryptische Andeutungen? »Also?«
»Ach, Scheiße. Du weißt es wirklich noch nicht.«
»Verdammt, Moritz! Was weiß ich nicht?«
»Sarah«, antwortete Moritz langsam und warf seinen Sneakers einen betroffenen Blick zu, »hat ein Angebot vom LKA bekommen.«
»Was?« Raphael war im Begriff gewesen, nach seiner Tasse zu greifen, aber jetzt sank seine Hand reglos zurück und er gegen die Arbeitsplatte, als hätte ihn der berühmte Schlag in die Magengrube dorthin katapultiert. »Wann?«
»Keine Ahnung«, antwortete Moritz betreten.
Natürlich. Sie war vorgestern allein beim Chef gewesen. Und heute Morgen schon wieder, und zwar mit einer ziemlich fadenscheinigen Begründung. Idiot, der er war, hatte er ihr nach einem kurzen Moment der Verwunderung bedenkenlos geglaubt. Aber weshalb hätte er ihr auch misstrauen sollen?
Tja, hättest du mal, Jordan. Warum hatte sie ihm nichts gesagt? Ihm, in dessen Armen sie gestern Abend eingeschlafen und heute Morgen aufgewacht war, während alle anderen Kollegen schon im Bilde waren.
Landeskriminalamt. München. Verdammte Scheiße, das durfte doch wohl nicht wahr sein! Jetzt, wo er sich hier in Regensburg eingerichtet hatte, zufrieden und glücklich war, sich endlich wieder so fühlte, als wäre er in seinem eigenen Leben zu Hause. Zurück nach München, das er doch ein für alle Mal hinter sich lassen wollte? Es war erst ein Jahr vergangen, seit er alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um nach Regensburg versetzt zu werden.
Würden sie ihn dort überhaupt wieder nehmen, bei der Mordkommission? Flexibilität war zwar gern gesehen, aber ein erneuter Versetzungsantrag wirkte wohl einfach planlos. Scheiße, und zudem wollte er gar nicht zurück!
Oder hatte Sarah sich das gar nicht so gedacht? Wollte sie das allein durchziehen? Ihn hier zurücklassen und sich, wenn überhaupt, nur an ihren freien Tagen auf ihren Freund besinnen, der sich in der Provinz gerade mit der nächsten Leiche herumschlug? Auch nicht besser. Wie lange sollte das so gehen? Eine Dauerlösung war das in jedem Fall nicht. Außerdem … Weshalb bekam ausgerechnet Sarah dieses Angebot?
Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, holte ihn das schlechte Gewissen ein. Weil sie eine verdammt gute Polizistin ist, Jordan. Weil sie weiß, wann sie knallhart sein muss, aber trotzdem so einfühlsam sein kann, wie das irgendwie nur Frauen schaffen. Weil sie Köpfchen hat und Mut. Nicht zuletzt deshalb hast du dich schließlich in sie verknallt, kaum dass
Weitere Kostenlose Bücher