Donaugrund (German Edition)
einer Sekunde später lautes Schnäuzen folgte, wollte ich den Waschraum zunächst diskret wieder verlassen; dann siegte allerdings doch meine Neugier. War das Celia Kleingrün, weil die Kollegen allesamt von ihrer Affäre mit dem Chef wussten? Oder weil Leo Wollenschläger sie wieder einmal gequält hatte? Denn dass er das tat, daran bestand für mich kein Zweifel. Sein Hass auf sie war beinahe körperlich spürbar gewesen.
Zu meinem Erstaunen verließ nach kurzer Zeit, in der ich im Spiegel meine heute wieder reichlich rebellische Frisur inspiziert hatte, eine ziemlich verheulte Simone Geier die Kabine und gesellte sich neben mich ans Waschbecken.
»Alles okay bei Ihnen?«
Sie nickte tapfer.
»Ist irgendwas passiert?«
Sie winkte zunächst ab, aber dann schien sie es sich doch anders zu überlegen. »Private Probleme«, sagte sie und versuchte sich an einem schiefen Lächeln, während sie ihre Hände mit Seife schrubbte. »Mein Mann hat sich kürzlich von mir getrennt. Und manchmal, wenn’s dann auch noch hier recht stressig ist, habe ich das Gefühl, mir wächst alles über den Kopf.«
Mitfühlend erwiderte ich ihr Lächeln. »Das tut mir leid«, sagte ich. »Gibt es denn Hoffnung, dass sich das mit Ihrem Mann wieder einrenkt?«
Sie winkte ab. »Eher nicht. Er hat kein Verständnis dafür, dass mein Job zeitaufwendig ist. Und wichtig für mich.« Sie schniefte, zuckte dann aber beinahe gleichgültig die Achseln.
Im selben Augenblick fragte ich mich, ob mein Mann Verständnis für die Wichtigkeit und Zeitaufwendigkeit meines zukünftigen Jobs haben würde. »Und wenn Sie sich einfach ein paar Tage freinehmen? Zur Erholung?«
»Bloß nicht!« Entschlossen riss sie ein Papiertuch aus dem Spender und rubbelte sich die Hände trocken. »So was wird hier nicht gern gesehen. Und ich kann es mir zurzeit auch gar nicht erlauben – viel zu viel Arbeit.« Dabei machte sie den Eindruck, als würde es sie gar nicht so sehr stören, wenigstens bei HEUREKA unentbehrlich zu sein.
»Na dann.« Ich lächelte ihr noch einmal aufmunternd zu. »Sich mit Arbeit abzulenken ist ja auch eine gute Therapie.«
Sie nickte, atmete noch einmal tief durch und verließ mit einem sogar leicht amüsierten »Auf in den Kampf!« den Waschraum.
Überpünktlich bequemte sich Sascha Hoyer zu uns in den Besprechungsraum. »Und, kommen Sie voran mit Ihren Ermittlungen?«, fragte er mit einer Mischung aus Argwohn und Hoffnung.
»Geht so«, antwortete Raphael ausweichend und wartete, bis Hoyer Platz genommen hatte. »Um ehrlich zu sein, sind wir noch immer damit beschäftigt, das Gewirr aus Gönnerschaft und Antipathien aufzudröseln, das in Ihrer Firma herrscht.«
Hoyer sah pikiert aus, verzichtete aber auf eine Antwort und faltete die Hände über seinem Wohlstandsbäuchlein.
»Wir haben zwischenzeitlich erfahren«, sagte ich, »dass es zwischen Ihnen und Herrn Wahlner durchaus Unstimmigkeiten gab, was die Führung der Firma anbelangt. Können Sie uns dazu ein bisschen mehr erzählen?«
Er seufzte und schob seine perfekt sitzende Brille überflüssigerweise an Ort und Stelle. Dann nickte er. »Sie sollten das nicht überbewerten. Ja, wir waren uns nicht immer einig, aber irgendwie haben wir noch jedes Mal einen Konsens gefunden, und so wäre es auch dieses Mal gewesen.«
»Worum ging es denn bei den aktuellen Meinungsverschiedenheiten?«
»Dazu muss ich etwas weiter ausholen.« Er warf uns einen fragenden Blick zu.
»Nur zu, wir haben Zeit«, antwortete Raphael gnädig.
»Wir haben seit einiger Zeit das Problem, dass der deutsche Markt stagniert. Es gab viel Negativpresse – nicht explizit unseretwegen, sondern die ganze Branche betreffend. Der Verbraucherschutz klärt massiv auf und schürt so zusätzlich große Panik vor Internetdienstleistungen, die rechtlichen Auflagen werden immer strenger, das Misstrauen der Justiz selbst aber zugleich immer größer.«
»Aber Ihrer Firma geht es doch nicht schlecht, oder?«
»Nein, noch nicht. Aber wir müssen uns etwas überlegen, damit das auch so bleibt.«
Ich nickte verständnisvoll.
»Das Problem lag darin«, fuhr Hoyer fort, »dass Jan und ich unterschiedliche Meinungen hatten, wie man am besten damit umgeht. Jan fand, HEUREKA müsse sich beständig vergrößern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie wissen ja schon, dass er in die USA expandieren wollte – das ist natürlich ein riesiger Markt, und die Auflagen sind dort auch noch nicht so streng. Ich hingegen …« Er machte
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