Donaugrund (German Edition)
nicht kapiert, dass die Situation so ernst ist, okay? Ich bin zwar kein Idiot, aber ich war nicht nüchtern, verstehen Sie? Wäre der Kleine mit dem Gesicht zu mir gestanden, könnte ich Ihnen viel mehr sagen, ehrlich.«
Das klang plausibel, musste ich mir eingestehen. »Nun gut, das war’s fürs Erste. Aber halten Sie sich zu unserer Verfügung, Herr Wunderlich. Das nächste Mal will ich nicht wieder wie ein trauriger Vorwerk-Vertreter in der Kälte stehen.«
Zunächst ungläubig, dann erleichtert sah er mich an, bevor er mir knapp zunickte, sich umdrehte und den Heimweg über die Brücke antrat.
»Und?«, fragte Moritz, der sich gerade bei einer Zigarette die Beine vertrat, als wir um die Ecke auf den HEUREKA -Parkplatz bogen.
»Praktischerweise hat Wunderlich Jan Wahlner erkannt«, erklärte Raphael. »Unpraktischerweise ist seine Täterbeschreibung hingegen eher mangelhaft.«
»Weil er vielleicht selbst damit zu tun hat?« Moritz rieb sich aufgeregt die Nase. »Könnte das sein?«
»Alles schon durchdacht.« Ich winkte ab. »Möglich ist das schon, auch wenn seine Erklärungen insgesamt ganz schlüssig klingen. Na, wir werden sehen. Immerhin können wir jetzt davon ausgehen, dass die Auseinandersetzung direkt auf der Brücke stattgefunden hat.«
»Und dass der Täter angesichts Wahlners arroganter Reaktion erst so richtig in Rage geraten ist, erscheint mir auch ziemlich logisch«, fügte Raphael hinzu. »Und bei dir, Moritz? Irgendwelche neuen Erkenntnisse?«
Moritz sah betroffen drein. »Na ja …« Er grinste verlegen. »Ich bin über einem der Ordner eingepennt.« Er zuckte verlegen die Achseln. »Also bin ich erst mal eine rauchen gegangen.«
Ich hatte damit gerechnet, dass Raphael ihn wenigstens mit einem strafenden Blick bedenken würde, stattdessen lachte er wie in kumpelhafter Verbrüderung. »Gestern wieder unterwegs gewesen?«
Moritz nickte mit einem schelmischen Grinsen.
Anscheinend musste man hier wirklich alles selbst machen. Sogar die Leute erziehen, die Raphael ins Boot holte. »Find ich scheiße«, tat ich also kund und ignorierte Moritz’ um Vergebung heischenden Blick.
»Und was macht ihr jetzt?«, fragte er, als er seinen Schock angesichts meiner rüden Ansage überwunden hatte und neben uns ins Treppenhaus trabte.
»Noch einmal mit Celia Kleingrün reden«, antwortete Raphael mit gedämpfter Stimme. »Die scheint in der Firma ein paar Probleme zu haben. … Sarah meint, das könnte interessant sein.«
»Kann ich dabei sein?« Moritz’ Augen leuchteten plötzlich. Sieh einer an, die Aussicht auf spannendere Arbeit konnte sogar die Katertrübung auf der Linse vertreiben. »Ich könnte die Ordner doch auch im Besprechungsraum durchsehen und nebenbei zuhören, was sie so zu sagen hat?«
Raphael nickte sofort.
Nach kurzer Zeit tat ich es ihm gnädig nach. »Immerhin kann ich dir dann direkt eine auf den Deckel geben, wenn du wieder einpennst.«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Celia Kleingrün störrisch, doch das Zittern ihrer Hand verriet sie. Sie wirkte ohnehin enorm angespannt, wie gehetzt. Entweder es gab die Sabotage, die Hoyer angedeutet hatte, tatsächlich, oder die Frau hatte wohl auf jeden Fall mit anderen, sicher nicht geringfügigeren Sorgen zu kämpfen.
»Sie haben bereits letzte Woche erwähnt, dass Sie unter den spitzen Kommentaren Ihrer Kollegen zu leiden haben«, antwortete ich. »Und jetzt hat Herr Hoyer uns davon erzählt, dass Sie hier sabotiert werden. Eine gespeicherte Datei soll verschwunden sein.«
Celia atmete mit enormer Erleichterung auf. »Heißt das, er glaubt mir jetzt?«
Ich zuckte nur die Achseln, schließlich wollte ich sie nicht gleich wieder entmutigen.
»Na, dann erzählen Sie mal«, forderte Raphael sie mit einem freundlichen Lächeln auf.
»Jetzt hab ich mich schon wieder verplappert, oder?« Celia seufzte. »Na gut. Ja, es stimmt. Es sind Texte verschwunden, die ich am Freitag ausgedruckt in Herrn Wollenschlägers Fach gelegt hatte. Und dann ist auch noch die ganze Datei verschwunden, dabei hatte ich sie nicht nur auf dem Firmenlaufwerk, sondern auch lokal auf meinem Computer abgespeichert.«
»Wer hat auf Ihren Computer Zugriff?«, fragte ich.
Sie zuckte die Achseln. »Einige Leute. Zum Beispiel jeder, der schon mal meine Urlaubsvertretung gemacht hat. Leo selbst, Simone Geier, Frau Egerjahn vom Empfang … Dann natürlich André König, mit dem ich im Büro sitze – wenn ich im Urlaub bin, checkt er meine Mails. Alle aus der
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