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Donaugrund (German Edition)

Donaugrund (German Edition)

Titel: Donaugrund (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Silberhorn
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Wunderlich sich fest, dieses Mal in Raphaels Pulli und etwas beherzter. »Was dann?«
    »Der Kleine hat gezerrt, sah etwas ungeschickt aus. Der Große hat dann ein bisschen gewankt, aber nur kurz«, sagte Wunderlich.
    Ich ging ein paar Schritte weiter und beobachtete Dennis’ Zerren und Raphaels Wanken. Ein älteres Ehepaar mit Dackel tippelte an uns vorbei, verlangsamte die Geschwindigkeit auf maximal drei Schritte pro Minute und beäugte uns neugierig.
    »Dreharbeiten«, sagte Raphael todernst. »Hollywood. Wir warten nur noch auf Steven Spielberg, der bringt heute die Kamera mit.«
    Schnell gingen die beiden weiter, Wunderlich lachte. Sieh einer an, dachte ich, der hat ja sogar Humor. »Und dann?«
    »Als ich fast auf Höhe der beiden war«, fuhr Wunderlich fort, und ich stellte mich wie angewiesen in Position, »hatte sich der Große gefangen und losgerissen. Und dann hat er gelacht, irgendwie so …«
    »Wie?«
    »Na ja«, antwortete Wunderlich. »So, als würde er den Kleinen nicht ernst nehmen.«
    »Also, bitte einmal verächtlich lachen, Mister Hollywood.«
    Wunderlich grinste, Raphael versuchte sich an einem verächtlichen Lachen.
    »Hohoho«, sagte ich. »Du klingst wie der Weihnachtsmann.«
    »Für zwei Bullen sind Sie ziemlich lustig«, stellte Wunderlich fest.
    »Verlassen Sie sich lieber nicht darauf«, erwiderte Raphael. »Also, wie ging’s dann weiter?«
    »Der Große hat dann noch etwas gesagt, aber das habe ich nicht verstanden, da war ich schon weitergegangen. Klang aber irgendwie so nach ›Du machst dich lächerlich‹ oder so.« Wunderlich hob zweifelnd die Achseln. »Und als ich dann da vorn war«, sagte er, und ich ging ein paar Meter weiter, »da hab ich mich noch einmal zu den beiden umgedreht. Der Große hatte sich auch umgedreht und zog ziemlich cool den Reißverschluss seiner Jacke nach oben. Den Kleinen hab ich nicht mehr gesehen, den hat er verdeckt. Na ja, und dann bin ich weitergegangen, ohne noch mal zurückzugucken.«
    Ich sah mich zu den beiden um, winkte Wunderlich ein wenig weiter nach rechts, sodass er von Raphael, der sich ebenfalls umgewandt hatte und seine Jacke schloss, verdeckt wurde. Ja, das klang alles plausibel. Fieberhaft suchte ich Wunderlichs Geschichte nach Logiklücken ab, doch Raphael kam mir zuvor.
    »Und an welcher Stelle in der Geschichte«, sagte er langsam, als wir wieder einträchtig beieinanderstanden, »haben Sie gesehen, dass der Kleine eine Brille trug?«
    Wunderlich zuckte zusammen. Nachdenklich fixierte er einen Punkt zwischen mir und Raphael, dann antwortete er zögerlich: »Ich weiß nicht genau. Ich hab da nur noch dieses Bild vor Augen, wie die Brillengläser im Licht der Laterne aufblitzen. Auf das Gesicht habe ich dann aber irgendwie gar nicht so genau geachtet.« Er biss sich nervös auf die Unterlippe. »Wahrscheinlich habe ich ihn kurz angeguckt, als ich auf Höhe der beiden war. Als der andere so laut gelacht hat. Diese Lache war echt fies, Mann«, ereiferte er sich. »Wahrscheinlich wäre ich da auch ausgeflippt!«
    »Ja, wären Sie das?«, fragte ich plötzlich interessiert. Vielleicht wusste er ja auch genau deshalb so viele Details – weil er selbst auf Wahlner losgegangen war? Vielleicht blieb ausgerechnet die Täterbeschreibung deshalb so vage, weil er auf die Schnelle einen Täter erfinden musste, der ihm noch dazu selbst nach Möglichkeit nicht ähnlich sah. Zu seiner plötzlichen Nervosität passte das. Zu dem Gefühl, das ich hatte, aber leider nicht.
    Es dauerte einen Moment, bis Wunderlich den Sinn meiner Frage verstand. Dann aber explodierte er. »Scheiße, ich wusste doch, dass das eine Falle ist!« Er sah wie gehetzt von mir zu Raphael. »Sie glauben wirklich, ich habe mit dieser Scheiße was zu tun!«
    »Keine Ahnung. Haben Sie?« Raphael setzte seinen Einschüchterungsblick auf, der trotz seiner attraktiven Züge standardmäßig irgendwo zwischen John Rambo und Hannibal Lecter lag.
    »Nein, Mann!« Er wirkte ehrlich entsetzt. Vielleicht war er aber auch nur ein guter Schauspieler.
    »Würden Sie den Kleinen erkennen, wenn Sie ihn sehen?«, fragte ich.
    »Vielleicht. Ich könnte es versuchen.« Entmutigt ließ er die Schultern sinken. »Aber es gibt viele Leute, die mittelgroß und mittelschlank sind und eine Brille tragen, oder?«
    »Seltsam, dass Sie sich ausgerechnet an den Täter nicht so genau erinnern können.«
    »Er stand mit dem Rücken zu mir!«, setzte Wunderlich zu einer Verteidigungsrede an. »Und ich habe echt

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