Donavan und das Mädchen im Hotel
feuchten,
tiefen Braun. Die Nase war kurz und gerade, und der Mund erweckte sinnliche
Vorstellungen. Er war breit, die Lippen von gleichmäßiger Fülle, und das
Grübchen am Kinn strafte dessen energischen Schwung Lügen. Sie trug eine beige
Bluse und dazu passende Hosen. Es war eine Aufmachung, deren scheinbare
Einfachheit über den vorzüglichen Schnitt und die Qualität des Stoffes
hinwegtäuschte. Unter der seidenen Bluse zeichneten sich die kleinen spitzen
Brüste deutlich ab. Ihre Hüften sahen angenehm gerundet aus, und die langen Beine
hatten hübsche Knöchel. Irgendwo tief in ihrem Innern mußte es eine glimmende
Sex-Zündschnur geben, dachte ich, aber es bedurfte sicher einiger Kunstgriffe,
um die Flamme zu entfachen.
Es war Punkt ein Uhr
nachmittags gewesen, als sie mich im Hotel abgeholt hatte. Sie hatte den großen
schwarzen Mercedes mit einer Art geringschätziger Leichtigkeit gelenkt, so daß
der dichte Londoner Verkehr förmlich vor ihr wegzuschmelzen schien. Bisher war
die Konversation höflich und trivial gewesen, aber meiner Überzeugung nach gab
es keinen Anlaß zur Eile.
»Ich habe noch einen Freund zum
Essen eingeladen«, sagte sie. »Sie haben hoffentlich nichts dagegen, Mr.
Donavan?«
»Nicht im geringsten«, sagte
ich höflich.
»Er ist nicht nur ein Freund,
sondern auch ein Geschäftspartner«, sagte sie. »Kurt Losey.«
»Wollen Sie mir irgendwie eine
Offerte machen?«
Sie lächelte flüchtig. »Einen
Vorschlag ja, aber ich bin nicht sicher, ob er etwas Geschäftliches im
eigentlichen Sinn des Wortes beinhaltet.«
»Das klingt faszinierend«,
sagte ich.
Ihre Unterlippe verzog sich
leicht. »Vermutlich liegt das an der privilegierten Erziehung, die Sie genossen
haben, Mr. Donavan? Ich meine, Ihre guten Umgangsformen?«
»Eleganz hat immer eine
positive Wirkung auf mich«, sagte ich mit einem Anflug von Intimität.
»Falls Sie schizophren sein
sollten, haben Sie sich phantastisch in der Hand«, sagte sie. »Ich habe in den
letzten Wochen eine Menge über Sie in Erfahrung gebracht, Mr. Donavan. Ich
weiß, daß Sie eigenhändig Leute umgebracht haben, und ich weiß auch, daß Sie
Unternehmungen organisiert haben, bei denen viele Menschen ums Leben kamen.
Aber wenn man Ihnen jetzt so zuhört, dann kann man sich nicht vorstellen, daß
Sie zu etwas Bedeutenderem fähig wären, als ein Zimmer zu betreten, um zu
fragen, ob vielleicht jemand Tennis spielen möchte.«
Diskretes Glockengeläute
ertönte, und das ersparte mir die Mühe, mir eine Antwort ausdenken zu müssen.
Sie verließ das Wohnzimmer und kehrte kurz darauf mit einem Begleiter zurück.
»Mr. Donavan«, sagte sie, »ich
möchte Ihnen meinen Geschäftspartner Kurt Losey vorstellen.«
Losey war groß, ungefähr ebenso
wie ich, und mager. Sein blondes Haar war im Begriff, dünner zu werden, und in
seinen blauen Augen lag ein eisiger Schimmer. Er trug eine Sportjacke, einen
Rollkragenpullover und eng anliegende Hosen. Die fleischige Nase war
offensichtlich mindestens zweimal gebrochen worden, und der schmallippige Mund
gehörte entweder zu einem Sadisten oder einem Beamten der Steuerfahndung.
»Nett, Sie kennenzulernen«,
sagte er mit überraschend hoher Tenorstimme.
Wie Bouchard gesagt hatte, der
Akzent paßte nicht zu einem Deutschen. Er sprach amerikanisches Englisch, aber
es klang, als ob das seine zweite Sprache sei.
»Gieß dir einen Drink ein,
Kurt«, sagte Colette Dorcas , und er ging zur Bar.
»Haben Sie McLaren gesehen,
seit wir gestern abend telefoniert haben?« fragte mich Colette Dorcas .
»Wir waren verabredet, aber er
kam nicht«, sagte ich.
»Pech.« Sie verzog leicht
schmollend den Mund. »Wir haben ihn gestern gegen Mittag aus den Augen
verloren. Er ist auch nicht in sein Hotel zurückgekehrt.«
»Warum sind Sie an McLaren so
interessiert?« fragte ich.
»Aus demselben Grund wie Sie.
Er vertrat das Fischer-Syndikat in Europa.«
»Wieso der Imperfekt?« fragte
ich.
»Bouchard hätte es Ihnen mit
Sicherheit erzählt, wenn Sie es nicht bereits gewußt hätten«, sagte sie kurz.
»Ich habe Sie nicht hierher eingeladen, um alberne Spielchen zu treiben, Mr.
Donavan.«
»Sie sagten, Sie hätten in den
letzten Wochen eine ganze Menge über mich in Erfahrung gebracht.« Ich lächelte
sie an. »Ich weiß über Sie gar nichts.«
»Ich leite eine illegale
Organisation, die sich mit Devisentransfer befaßt«, sagte sie. »Mein Bruder war
Partner, bis er ums Leben kam. Nun hat Kurt seinen Platz in der
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