Donavan und die Eurasierin
Richten
Sie Ihrem Boß aus, die Sache müsse bis morgen warten, und scheren Sie sich
jetzt zum Teufel!«
Ich war noch rund zehn Meter
vom Portikus entfernt und zielte sorgfältig auf den Burschen mit der
Taschenlampe. Es war Zeitverschwendung. Im gleichen Augenblick, als sich mein
Finger um den Abzug krümmte, dröhnte mir ein Schuß in den Ohren, und die Stirn
des Mannes löste sich in eine blutige Masse auf. Die Taschenlampe fiel aus
seiner Hand, als er nach vorn stürzte. Der Mann hinter ihm fuhr herum in die
Richtung, aus welcher der Schuß gekommen war.
»Stehenbleiben!« brüllte ich.
»Sonst schieße ich Ihnen Ihren verdammten Kopf vom Hals.«
Er erstarrte. Er befand sich in
einer ausgesprochen üblen Situation, und das wußte er auch. Da er sich in
Richtung des von Hicks abgefeuerten Schusses gewandt hatte, drehte er der
Richtung, aus der die Stimme gekommen war, den Rücken zu. Und so blöde war er
nicht, um eins und eins nicht zusammenzählen zu können.
»Lassen Sie die Waffe fallen«,
befahl ich.
Er gehorchte. Im Licht unter
dem Portikus wirkte sein Gesicht hager, und ich empfand flüchtiges Mitgefühl
mit ihm. Nicht eben viel, nur ein bißchen. Ich trat näher, bis ich seitlich
neben dem Portikus stand. Hicks tauchte auf der anderen Seite auf. Der Bursche,
der da so starr stand, verströmte eine ungewöhnliche Menge Schweiß, selbst wenn
man die Luftfeuchtigkeit in Betracht zog.
»Wir kommen wegen der Mädchen«,
sagte ich im Plauderton.
»Sie sind oben«, sagte er
heiser. »In einem der Schlafzimmer.«
»Wer ist sonst noch im Haus?«
»Niemand.«
»Niemand?«
»Ich schwöre es«, sagte er.
»Kaiser ist heute abend aus und hat die beiden
anderen Jungs mitgenommen.«
»Okay«, sagte ich. »Gehen wir
rein, dann finden wir’s raus. Sie als erster.«
Als sich der Mann umdrehte,
schob sich Hicks unmittelbar hinter ihn.
»Wenn sonst noch jemand im Haus
ist, Kumpel«, sagte er leise, »jage ich dir eine Kugel in die Leber. Das tut
gar nicht weh. Es dauert ungefähr zwei Stunden, bis du draufgehst, und den
größten Teil der Zeit über wirst du nach deiner Mammi kreischen.«
»Es ist wirklich sonst niemand
im Haus«, wiederholte der Mann verzweifelt.
Wir traten in den Eingangsflur.
Der Treppenaufgang befand sich auf der linken Seite, und der Korridor verlief
geradeaus zum hinteren Teil des Hauses, rechts und links waren Türen. Der Mann
strebte der Treppe zu und kam dann zu einem plötzlichen Stillstand, als Hicks’
Revolver ihm brutal in den Rücken stieß.
»Moment mal, Kumpel«, sagte
Hicks. »Zuerst sehen wir mal in den unteren Zimmern nach.«
Er ließ den Mann vor sich her
den Korridor entlanggehen bis zur ersten Tür links, dann schob er den Burschen
direkt davor und schrie: »Wir kommen rein!« Dann stieß er die Tür mit dem Fuß
auf und verpaßte dem Mann einen Stoß zwischen die Schulterblätter, so daß er in
den Raum hineintaumelte. Nichts geschah; das Zimmer war leer.
»Himmel!« murmelte der Mann.
»Ich hab’ Ihnen doch gesagt, daß niemand zu Hause ist.«
»Wir probieren das in jedem
Zimmer durch, unten und oben«, erklärte Hicks munter. »Man nennt so was ein
Freundschaftssystem. Wenn es jemanden erwischt, dann zuerst den Freund. Also
los, Freund.«
Wenn in den Augen des Burschen
noch ein Funken von Hoffnung gelegen hatte, so erlosch er jetzt nach kurzem
Aufflackern.
»Earl ist oben«, sagte er.
»Zusammen mit den Mädchen.«
»In welchem Zimmer?« fragte
ich.
»Im zweiten rechts«, sagte er.
»Ich gehe nicht dort rein, um erschossen zu werden.«
»Wollen Sie sich das mal durch
den Kopf gehen lassen, Donavan«, sagte Hicks hilfreich, »während wir in den
anderen Zimmern nachsehen?«
»Warum nicht?« sagte ich
bedrückt.
Es dauerte ungefähr eine Minute,
um den Rest der Zimmer unten zu überprüfen - mit negativem Resultat. Die beiden
Männer gesellten sich unten an der Treppe wieder zu mir.
»Ist Ihnen was eingefallen,
Kollege?« fragte Hicks.
»Ja«, antwortete ich und sah
den anderen Mann an. »Wie heißen Sie?«
»Eddie«, sagte er.
»Sie rufen laut und deutlich
nach Ihrem Freund und identifizieren sich«, befahl ich. »Sagen Sie ihm, wir
seien zu viert und Ihr Ex-Kamerad draußen sei bereits tot. Der Mann dort oben
soll mit leeren Händen herauskommen. Sagen Sie ihm, daß wir vier Sie, wenn er
das nicht tut, umbringen und dann hinaufkommen und ihn fertigmachen werden.«
Er fuhr sich mit der Zunge über
die Lippen. »Das tun Sie doch nicht im Ernst?«
Weitere Kostenlose Bücher