Donavan und die Eurasierin
Lees heimatlichem
Territorium«, sagte ich.
»Charles ist nicht der Typ, der
Gewalt anwendet«, sagte er. »Oder jedenfalls nur im äußersten Notfall. Er sorgt
dafür, daß sich seine Gegner untereinander zerfleischen, und hofft, daß sie
sich auf diese Weise selbst eliminieren. Wenn das nicht klappt, zieht er
Gewaltanwendung in Betracht. Aber im Zweifelsfall wird er das erst tun, wenn
der Tag der Auktion wesentlich näher gerückt ist. Deshalb glaube ich, daß ich
mir Lees wegen im Augenblick keine Sorgen zu machen brauche. Bezüglich Kaisers
liegt der Fall natürlich völlig anders.«
»Weiß er, daß Sie in Hongkong
sind?«
»Ganz sicher«, antwortete
Woodbury leichthin. »Ich wußte von dem Augenblick an, als er auf dem Flughafen
eintraf, daß er in Hongkong war. Ich weiß auch, daß er ein Team von fünf
Gorillas bei sich hat, und daß es dort, wo sie herkommen, noch eine Menge
weiterer dieser Typen gibt. Wissen Sie, woher ich meine Unterstützung beziehe,
Donavan?«
»Bangkok ist die Fassade, aber
die maßgeblichen Leute sitzen in Taiwan«, sagte ich. »Zumindest habe ich das
gehört.«
Er lachte leise. »Ihre
Informationsquelle ist absolut korrekt. Ich bin zu zehn Prozent beteiligt und
bekomme zusätzlich zehn Prozent vom Gewinn, wenn ich Erfolg habe. Lee würde
seiner eigenen Mutter keine fünf Prozent zugestehen, ganz zu schweigen im
übrigen von einer gleichrangigen Partnerschaft. Aber ich kann Ihnen zehn
Prozent anbieten, also etwa die Hälfte meiner eigenen Beteiligung.«
»Das klingt sehr großzügig«,
murmelte ich.
»Es sind natürlich Bedingungen
daran geknüpft.« Er lächelte wieder. »Ich meine, Sie müssen sich Ihren Anteil
verdienen, mein Lieber. Wenn Sie Kaiser ausschalten, werden Sie zu zehn Prozent
an meinem Syndikat beteiligt, so daß Sie mir als Partner gleichrangig wären.
Wenn Sie es schaffen, Kaiser zu erledigen, bin ich sicher, daß wir beide von
Lee nichts zu fürchten hätten. Was meinen Sie dazu?«
»Ein sehr attraktives Angebot«,
antwortete ich. »Ich möchte es mir gern überlegen.«
»Aber selbstverständlich«,
sagte er. »Es besteht gar keine Eile. Ich habe natürlich mein eigenes Team bei
mir. Alles recht gute Leute, aber wenn ich mich mit Kaiser anlege, wird ein
kleiner Krieg daraus, und das würde Lee nur zum Vorteil gereichen. Aber Sie,
sozusagen ein Einzelgänger, könnten eine Trumpfkarte für mich sein. Bitte
verzeihen Sie mir die Klischees, mein Lieber. Ich fürchte, sie unterlaufen mir
immer, wenn mich irgendein Projekt in Begeisterung versetzt.«
»Bitte.«
»Und Sie werden mich von Ihrem
Entschluß unterrichten?«
»Ich werde Sie
benachrichtigen.«
»Sehr gut. Wie steht’s mit
einem Dessert? Käse? Kaffee?«
»Nein, danke.«
»Nun, in dem Fall werden Sie
mich hoffentlich entschuldigen. Ich muß ein paar Ferngespräche führen.« Er
lächelte erneut. »Meine Chefs werden immer ein bißchen unruhig, wenn sie nicht
regelmäßig von mir hören. Aber es war ausgesprochen reizend, Sie
kennenzulernen, mein Lieber, und ich hoffe bald von Ihnen zu hören.«
Wir schüttelten uns die Hände,
und ich überließ es ihm, die Rechnung zu bezahlen. In der prächtigen Hotelhalle
stoppte ich und rief bei Charles Lee an.
» Wei?« sagte eine
Stimme, die wahrscheinlich zu dem Küchenboy gehörte.
»Ich möchte gern mit Mr. Lee
sprechen«, sagte ich.
Ein paar Sekunden geschah
nichts; dann meldete sich Lee.
»Paul Donavan«, sagte ich.
»Sie sind also Mr. Woodbury
bereits losgeworden?« Seine Stimme klang leicht ironisch. »Ich gratuliere
Ihnen, Mr. Donavan.«
»Dieser Mann, den Sie nach
Bangkok schickten, um Delaney zu beschatten«, sagte ich, » - wie hieß er noch?«
»Ist das wichtig?«
»Ja«, sagte ich kalt. »Es ist
wichtig.«
»Er heißt Enrique Còrdova .«
»Er ist tot«, teilte ich ihm
mit.
»Das habe ich schon vermutet.«
Er seufzte leise. »Wer hat Sie darüber informiert, Mr. Donavan?«
»Woodbury. «
»Und hat Ihnen Mr. Woodbury
erzählt, wie er umgekommen ist?«
»Es geschah gleich nachdem
Delaney ermordet wurde«, sagte ich. »Woodburys Jungens erwischten ihn und
weideten ihn praktisch aus.«
»Bitte, Mr. Donavan«, sagte Lee
vorwurfsvoll, »ich bin eben beim Abendessen. Eines kann ich Ihnen sagen- ich
glaube nicht, daß Còrdova Delaney umgebracht hat; das
war nicht Bestandteil seiner Instruktionen. Er sollte ihn lediglich im Auge
behalten.«
»Wenn er also nicht Delaney
umgebracht hat, wer dann?«
»Das ist unmöglich zu
beantworten«,
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