Donner: Die Chroniken von Hara 3
ihm und Ga-nor nur dank unglaublichen Glückes und auch dank der Gewitztheit des Irbissohns gelungen, der Belagerung zu entkommen. Nur dass sich ihre Rettung danach erneut in das endlose Fangspiel mit dem Tod verwandelt hatte …
Für Luk stand selbstverständlich außer Frage, dass er zu gegebener Stunde in die Glücklichen Gärten eingehen würde. Trotzdem verlangte es ihn nicht danach, diesen glückseligen Moment schon vor der Zeit herbeizuführen. Warum auch? In den Gärten würde er noch genug Zeit verbringen. Warum also vorher nicht möglichst lange das Leben genießen? Doch seit einigen Wochen winkte er bei dem Gedanken an die Freuden des Lebens immer öfter ab …
Denn er war unendlich müde. Am liebsten hätte er auf alles gespuckt und sich einmal richtig ausgeschlafen. In solchen Augenblicken erfüllte ihn ein grausamer Hass auf die Nabatorer, die Sdisser, die Verdammten, Untoten, Ascheseelen, Hochwohlgeborenen und auch auf dieses leuchtende Monster, das ihm noch jetzt eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
Er überschlug, wie lange sie nun schon nicht geschlafen hatten. Mehr als einen Tag. Frühmorgens waren sie aufgebrochen, die Rast in der Elfenstadt war gescheitert. Nicht einmal etwas essen hatte er können. Selbst sein Magen hatte bereits alle Lust verloren, mit lautem Geknurre das ausgefallene Abendbrot einzuklagen, und schwieg seit einer Stunde beleidigt vor sich hin.
Ihr verschlungener Weg führte sie abermals zu einem Fluss im Vorgebirge. Ga-nor verlangte ihnen allen mit seinem Tempo das Äußerste ab. Bei der nächsten Rast ließ sich Luk erschöpft auf den Teppich aus braunem, feuchten Laub fallen.
»Da platzt doch die Kröte! Und wenn ihr mich hier begrabt – bis zum Morgen werde ich keinen Fuß mehr vor den anderen setzen.«
»Und ob du das wirst«, erklärte Kallen und warf sich neben ihm zu Boden. »Wenn es sein muss, sogar noch doppelt so schnell wie bisher. Aber ehrlich, Ga-nor, du hast einen Schritt am Leibe!«
»Ich will nur verhindern, dass die Schmetterlinge sich uns vorknöpfen.«
Dafür hatte Kallen nur ein verstehendes Grinsen übrig.
»Was macht dich eigentlich so sicher, dass einer von denen die Begegnung mit diesem Ungeheuer überlebt hat?«, wollte Luk wissen.
»Solang du mir nicht das Gegenteil beweist, gehe ich davon aus, dass sie noch alle am Leben sind und nicht die Absicht haben, uns in Frieden ziehen zu lassen. Die sind starrköpfig, diese Spitzohren.«
»Hast du schon einmal gegen sie gekämpft?«, erkundigte sich Rando.
»Nein. Aber mir reichen die Geschichten, die ich gehört habe. Steh auf, Luk, du hast lange genug im Nassen herumgelegen.«
»Lass mich endlich in Frieden«, bat er stöhnend. »Was spielt das jetzt noch für eine Rolle? So durchnässt, wie wir ohnehin schon sind, meine ich. Dieser verfluchte Regen hängt mir zum Hals heraus!«
»Spar dir dein Lamento!«, fuhr Kallen ihn an, während er aufstand und sich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm lehnte. »Uns geht es schließlich nicht besser als dir.«
Luk murmelte etwas vor sich hin, das niemand verstand, setzte sich aber auf. »Bei diesem Wetter kriegen wir nicht mal ein Feuer angezündet. Obendrein schlafen wir wie Tiere unter einem Gebüsch. Dabei steht der Winter schon vor der Tür! Passt auf, es dauert nicht mehr lange, und wir krepieren alle.«
»Ich persönlich habe die Absicht, zu Beginn des Winters bereits jenseits der Katuger Berge zu sein«, erklärte Ga-nor und hockte sich neben ihn.
»Erzähl mir ein wenig von dem Stab des Nekromanten, Luk«, bat Rando. »Woher hast du gewusst, dass du den Dämon damit aufwecken kannst?«
»Das würd ich auch gern wissen«, versicherte Kallen.
»Kennt ihr etwa die alten Bauernmärchen über Cram den Dummkopf nicht?«, fragte Luk unter schallendem Gelächter. »Wie der einen menschenfressenden Dämon überlistet hat? Wirklich nicht …? Also, er hat ihn auch mit so einem Stock geschlagen. Den hat er einem Nekromanten geklaut und dem Ungeheuer in den Bauch gerammt. Daraufhin ist es verreckt.«
»Dann hat der Dummkopf richtig gehandelt«, erklärte Kallen nach langem Schweigen. »Und? Hat der Nekromant Cram nach dem Verlust des Stabes noch einmal in die Finger bekommen?«
»Das gehört doch gar nicht hierher«, maulte Luk, dem erst jetzt aufging, dass der Dummkopf aus dem Märchen eine solche Begegnung kaum überlebt haben dürfte. »Und der Nekromant, dessen Stock ich
geliehen
habe, ist ja schon lange tot. Der braucht das Ding sowieso
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