Donner: Die Chroniken von Hara 3
berühren, die geweihte Luft zu atmen und – dies vor allem – sich vor dem Zorn der Hochwohlgeborenen in der Stadt zu verstecken.
In der Gewissheit, ihnen stünde für ihre Vergeltung eine Ewigkeit zur Verfügung, waren sie in die Stadt eingezogen. Die Menschen sollten noch vor dem Kampf jede Hoffnung auf Rettung verlieren, sollten zittern, ehe sie ihnen überhaupt in die Hände fielen, sie sollten erfüllt von dem Wissen sein, dass die Stele schon am nächsten Morgen in ihrem Blut erstrahlen würde.
Und dann diese Wendung! Er, Tanhe, hatte nicht bedacht, nicht gewusst, nicht wissen können, dass in der heiligen Stadt ein Sonnendämon lebte.
Sechsunddreißig Söhne der Schmetterlinge waren verloren, die Urne des großen Olve zerstört, seine Asche zwischen den Ruinen verstreut und vom Regen davongespült. Nie mehr würde sie eine würdige Ruhestatt finden. Lediglich acht von ihnen waren der Saat aus dem Reich der Tiefe entkommen und hatten sich in den Wald flüchten können.
Die Schmach indes würden sie nie vergessen. Sie hatten Koliina am Yon verlassen, das sie nun für immer verloren geben mussten, war es doch zur Höhle eines Sonnendämons geworden, und sich auf die Jagd nach diesen flinken Menschen gemacht, damit diese für ihre Taten sühnten.
Wie Nebel hatten sie sich durch den nächtlichen Wald bewegt, kein einziges Blatt, kein einziger Zweig hatte von ihrer Anwesenheit gekündet. In ihm, im Wald, fühlten sich die Hochwohlgeborenen in ihrem Element, spürten sie das verwandtschaftliche Blut. Ihn, den Wald, kannten und verstanden sie. Er würde, er könnte sie nie an Fremde verraten.
Acht Schatten huschten durch den leichten Dunst, der in der Luft hing, acht Schatten näherten sich Schritt um Schritt dem Fluss. Tanhe bedeutete Yove, Shathe und Nare, sich weiter links zu halten, damit sie sich dem Rastplatz der ahnungslosen Simpel von der gegenüberliegenden Seite her nähern konnten, während er selbst mit den vier restlichen Kriegern geradeaus weiterzuschleichen beabsichtigte.
Der Fluss war nun ganz nah, strömte unmittelbar hinter dem dichten Nusswäldchen dahin.
Galhe riss den Arm hoch und deutete auf eine Stelle vor ihnen. Tanhe nickte. Auch ihm war nicht entgangen, dass dort, eingehüllt in ihre Umhänge, die Menschen schliefen. Drei lagen dicht beieinander, der vierte aber, der zur Wache abgestellt war, saß in seinen Umhang gehüllt auf dem Boden, mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt, den Kopf auf die Brust gesenkt. Die Feiglinge hatten sich nicht einmal getraut, ein Feuer zu entfachen.
Was für Dummköpfe! Glaubten sie denn wirklich, sie könnten der Rache der Hochwohlgeborenen entkommen, wenn sie auf ein Feuer verzichteten?!
An der gegenüberliegenden Seite der Lichtung nahm Tanhe eine flüchtige Bewegung wahr. Yove und die anderen zwei warteten dort auf sein Signal. Als Zalvhe neben ihm die geladene Armbrust hochriss, schüttelte Tanhe verärgert den Kopf.
»Wir wollen sie lebend«, flüsterte er, fast ohne die Lippen zu bewegen.
Er langte nach seiner Gürteltasche, um ein feines, jedoch robustes Fangnetz herauszuholen, dessen Ränder stählerne Kugeln beschwerten. Nachdem seine Gefährten es ihm gleichgetan hatten, nickte er ihnen zu.
Die Netze flogen wie ein einziges in die Luft und fielen – ebenfalls wie ein einziges – auf die schlafenden Menschen nieder. Im nächsten Augenblick umzingelten die Hochwohlgeborenen lachend die Gefangenen. Doch ehe Shathe dem Mann vor ihm einen Tritt geben konnte, sirrte eine Bogensehne, und er fiel, von einem Pfeil in der Brust getroffen, zu Boden.
Ein Laubberg neben Yove wirbelte auf – und hackte dem Elfen die Beine ab. Als sich zwei Schmetterlinge auf den Kerl warfen, sprang von einem Baum ein Soldat auf sie, der brüllte wie ein hungriger Gow. Einer der Hochwohlgeborenen büßte seinen Kopf ein, dem zweiten bohrte sich ein Schwert unters Schlüsselbein. Er ließ die Lanze fallen, zog sich zu den Bäumen zurück – und wurde prompt von einem weiteren Menschen erledigt, der sich dort unter den Blättern versteckt hatte.
Aus der Dunkelheit kam ein Pfeil herausgeschossen, der in Nathes Schulter stecken blieb. Trotzdem stürzte er sich zusammen mit zwei anderen Elfen unverdrossen in den Kampf, während sich Tanhe den Bogenschützen vornahm. Dieser wechselte den Bogen gegen eine Streitaxt und stellte sich der Herausforderung.
Durch seinen Panzer geschützt, stellte der gedrungene Mann einen ernst zu nehmenden Gegner dar.
Er handhabte die
Weitere Kostenlose Bücher