Donner: Die Chroniken von Hara 3
auf?«
»Ebendieses unverwechselbare Merkmal.«
»Bestens! Behalt sie bei dir, bis die Zeit gekommen ist.«
»Das werde ich.«
»Gestern hatte ich übrigens eine kleine Auseinandersetzung mit Thia.«
Als Alenari ihm von dem Kampf am Pavillon berichtete, färbte sich Leys Gesicht dunkelrot vor Zorn.
»Möge Ugs Blitz sie treffen!«, brüllte er. »Hat dieses Weib ihr letztes bisschen Hirn verloren?! Was hat sie sich bloß dabei gedacht?!«
»Sie hat mir keine Gelegenheit gelassen, sie danach zu fragen. Dazu ist sie zu schnell verschwunden.«
»Ja, darin ist sie eine wahre Meisterin!«
»Falls du ihr zufällig begegnen solltest, würde ich dich bitten, sie am Leben zu lassen.«
»Ich habe nicht die Absicht, sie zu töten. Allerdings werde ich wohl mal ein ernstes Wort mit ihr reden müssen.«
»Noch etwas: In ihrer Begleitung befindet sich ein Heiler.«
»Ein Heiler?«, fragte er. »Dieser Schüler Ceyra Asanis?«
»Damit weißt du mehr als ich«, erwiderte Alenari kalt. Dass es sich bei dem Jungen um den Zögling der heutigen Mutter handelte, war ihr neu.
»Weil meine Spitzel besser sind als deine. Und im Imperium dürfte ja wohl kaum noch ein Mann mit diesem Aspekt der Gabe aufgetaucht sein. Deshalb nehme ich an, wir sprechen von demselben Heiler. In dem Fall nehme ich mein Urteil über Thia zurück. Sie hält ihr Hirn noch gut zusammen – sonst könnte sie nicht ihr eigenes kleines Spielchen spielen.«
»Eben. Deshalb erinnere ich dich noch einmal daran: Wenn du sie schnappst, verschon mir den Jungen.«
»Unterstellst du jetzt etwa mir, mein Hirn eingebüßt zu haben? Dem wird nicht ein Härchen gekrümmt. Und jetzt beeil dich, zu mir zu kommen«, forderte er sie lächelnd auf. »Ich vermisse dich.«
»Ich bin bald bei dir«, versprach sie und unterbrach die Verbindung.
Er vermisste sie. Wie auch nicht? Schließlich sehnte sie sich ebenso nach ihm.
Auf dem Weg zurück in ihre Gemächer dachte sie noch einmal über den Heiler nach. Bei allen Sternen Haras! Der Junge musste diesen Krieg überleben! Um jeden Preis! Denn sie brauchte ihn.
War er doch der einzige Mensch, der ihr ein neues Gesicht geben konnte.
Kapitel
19
»Komm schon! Streng dich an!«, verlangte Typhus in einem Ton, der mir fast weinerlich vorkam. »Dann fällt dir bestimmt ein, wie du es geschafft hast.«
»Was glaubst du eigentlich, was ich die ganze Zeit tue?!«, giftete Shen zurück.
Seit die beiden heute Morgen aufgestanden waren, stritten sie. Seufzend kehrte ich zu unserem Rastplatz zurück und packte unsere Sachen zusammen, während ich innerlich ein Gespräch mit Lahen führte. Diese dämlichen Wegblüten, die mal aufwachten, mal einschliefen, hatten uns zwar das Leben gerettet – unsere weitere Existenz aber stark gefährdet. Wir wussten nicht, wo wir waren, hatten die Pferde, den Wagen sowie fast unser gesamtes Hab und Gut im Regenbogental verloren. Obendrein durften wir jetzt nicht nur hungern, sondern auch noch Durst leiden, denn meine Flasche hatte sich auf wundersame Weise über Nacht geleert. Immerhin waren mir noch der Bogen, der Funkentöter und das Jagdmesser geblieben. Mit den Pfeilen stand es nicht so gut, davon besaß ich nur noch sechs. Sonst war mir lediglich eine kleine Leinentasche geblieben, die jedoch bloß Dinge enthielt, die allein für mich einen Wert hatten.
Bei den anderen sah es mit Waffen noch schlechter aus. Shen verfügte noch über einen Dolch, Ghbabakh nur über die eigenen Fäuste und Stacheln, Yumi über sein beinernes Blasrohr. Rona und Typhus stellten dagegen für niemanden mehr eine Gefahr dar, denn ihr Funken musste sich erst erholen, um wieder mit aller Kraft zu lodern.
Zum Glück hatten wir wenigstens noch einigermaßen angemessene Kleidung. Den Herbst und den ersten Schnee würden wir damit unbeschadet überstehen.
Der Winter – ich meine: der richtige Winter – würde uns dann allerdings vor ernste Probleme stellen. Deshalb sollten wir schnellstens eine Stadt oder ein Dorf finden, um Pelze und warme Stiefel zu erstehen. Bis dahin konnten wir nur beten, dass es nicht wieder wie aus Kübeln regnete, verfügten wir doch nur noch über drei Umhänge für uns alle.
Rona hatte das Haar zu einem kurzen, drolligen Zopf zusammengebunden und streichelte den zufriedenen Yumi, der vor Begeisterung ganz außer sich war: Er verdrehte die Augen, grunzte und zuckte mit der Hinterpfote. Den gestrigen Kampf hatte er völlig vergessen. Vermutlich hatte er die Erinnerungen daran mit seinem
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