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Donner: Die Chroniken von Hara 3

Donner: Die Chroniken von Hara 3

Titel: Donner: Die Chroniken von Hara 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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sprang auf und verschwand in den Büschen. Nach einer Weile näherten sich zwei Auerochsen dem See. Die kräftigen Tiere tranken gierig, schnaubten laut und schüttelten die Köpfe. Sich durch das Unterholz pflügend, trotteten sie gen Süden davon. Ich ließ diese Fleischberge ziehen. Nicht nur, dass ich mit einem Pfeil nicht viel hätte ausrichten können, nein, wenn ich ein solches Tier bloß verletzte, durfte ich mit dem Schlimmsten rechnen: Vor einem tobenden Auerochsen flohen sogar Bären.
    Endlich erspähte ich einen Hirsch. Er trat aus dem Dickicht heraus, schnupperte und näherte sich dann vorsichtig dem See, unterwegs immer wieder verharrend und lauschend.
    Als er wieder einmal stehen blieb, schoss ich. Der Pfeil hatte sich jedoch kaum von der Sehne gelöst, als das Tier von irgendetwas aufgeschreckt wurde. Deshalb traf ich es wesentlich weiter oben als beabsichtigt. Verletzt sprang der Hirsch davon.
    Ich setzte ihm nach. Das Tier war dem Tod geweiht, das stand außer Frage. Es war getroffen, irgendwann würde der Blutverlust zu groß sein.
    Die Spur ließ sich deutlich erkennen und führte nach Nordosten, also weg von den Hügeln. Noch musste der Hirsch über recht viel Kraft verfügen, denn er stob ohne innezuhalten davon.
    Ich beschleunigte meinen Schritt, achtete aber aufmerksam auf den Boden. Das Tier hatte seine Richtung geändert und wurde jetzt offenbar schwächer, denn es war bereits mehrfach stehen geblieben. Mittlerweile hatte mich der Hirsch recht weit von unserem Nachtlager weggelockt, sodass ich bereits mit dem Gedanken spielte umzukehren. Einzig meine Sturheit hielt mich davon ab.
    Während ich die Jagd fortsetzte, lauschte ich weiter auf den Wald – und dachte nach. Über alles Mögliche. Über Lahen und Rowan, über die zerstörte Burg Adlernest und den anhaltenden Krieg, über diesen Herbst, den ich eigentlich nicht hätte erleben dürfen … In letzter Zeit meinte ich oft, es wäre richtiger gewesen, wenn ich in der Steppe den Tod gefunden hätte und neben meinem Augenstern begraben worden wäre.
    Die Dunkelheit senkte sich rasch herab, es wurde immer kälter. Ich streifte mir Handschuhe über, knöpfte die Jacke zu und stellte den Kragen auf. Wie sich bei dieser Kälte Nebel bilden konnte, war mir zwar schleierhaft, doch er waberte forsch über den Boden und beleckte meine Stiefel. Ich gab mir selbst das Versprechen, in vier Minuten kehrtzumachen, sollte ich den Hirsch bis dahin nicht gefunden haben.
    Der Himmel war inzwischen nachtschwarz. Ich drehte mich um. Über den mit Heidekraut bewachsenen Hügeln ging der Mond auf. Ein Vollmond, der ohne jede Eile höher stieg, fast wie eine alte Frau, die sich eine Treppe hinaufmühte. Er spendete goldenes Licht.
    Erschaudernd erkannte ich den Ort wieder. Ich fuhr herum. Mir sträubten sich die Haare, und eine Gänsehaut rieselte mir über den Rücken: Vor mir lag ein riesiger Friedhof, hinter dem sich ein Wald anschloss, der wie ein Pfahlzaun anmutete.
    Mein Albtraum war Wirklichkeit geworden.
    Den Hirsch vergessend, stürzte ich davon. Auf einen nächtlichen Spaziergang über die Gräber konnte ich getrost verzichten.
    Nur hielt das Schicksal anderes für mich bereit: Nachdem ich mich durch das Dickicht geschlagen hatte und wieder in den Wald eingedrungen war, lief ich etwa vierzig Yard – bis ich erneut auf diesen Pfad stieß, der sich zwischen den Gräbern dahinwand. Hinter mir lagen die Hügel im Mondlicht, vor mir ragte dräuend der Wald auf, über die Erde kroch Nebel.
    »Das kann nicht sein!«, murmelte ich, wenn auch nicht sehr überzeugt, und rannte auf die rettenden Hügel zu. Doch abermals stieß ich nur auf Gräber. Von diesem Friedhof gab es kein Entkommen.
    Ich versuchte meiner Panik Herr zu werden und blieb stehen. Eine überstürzte Flucht half mir ganz bestimmt nicht weiter, im Gegenteil, sie würde alles nur noch schlimmer machen. Mit einem solchen Verhalten gliche ich einer Fliege, die sich immer weiter im Spinnennetz verfängt, je stärker sie gegen die Fäden ankämpft.
    Um mich herum befanden sich umgeworfene oder gespaltene Grabsteine, klafften aufgerissene Gräber.
    Vermutlich blieb mir nichts anderes übrig, als wieder auf den Wald zuzurennen. Genau wie damals, in meinem Traum. Vielleicht entkam ich dort ja diesem verzauberten Kreis.
    Die Hügel lagen jetzt in Nebel gehüllt, meinem Blick fast entzogen. Ich lief weiter, bis ich auf den toten Hirsch stieß. Mein Pfeil steckte noch in seiner Flanke. Vorsichtig näherte

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