Donner: Die Chroniken von Hara 3
Typhus an, verlangte dann aber von zwei Soldaten: »Passt auf ihn auf!«
Der Raum, in den man uns brachte, war ausgesprochen schlicht. An einem Tisch saß ein Nabatorer mit den Schulterstücken eines Hauptmanns. Er sah erst Typhus, dann mich finster an, erschauderte und nahm die Verdammte noch einmal genauer ins Auge.
»Hauptmann Nay«, begrüßte sie ihn freundlich.
Aus seinem Gesicht wich alle Farbe.
»Schick deinen Mann raus, damit er etwas auftreibt, worauf wir sitzen können«, verlangte Typhus. »Wir haben miteinander zu reden.«
Nay sprang auf, befahl dem ungläubigen Mann mit dem Schnauzer, er solle sofort den Raum verlassen, und bot Typhus seinen Stuhl an.
»Herrin!«, stammelte er. »Verzeiht mir! Ich habe Euch nicht auf Anhieb erkannt!«
»Umgekehrt war das nicht der Fall. Ihr seid also nicht mehr in Hundsgras. Auch gut. Das entbindet mich von überflüssigen Erklärungen. Ich brauche deine Hilfe.«
»Was soll ich tun?«, fragte er. Da erkannte auch ich den Offizier wieder, der zu Beginn des Sommers mit seinen Truppen unser Dorf eingenommen hatte.
»Wir brauchen zehn, besser noch zwölf kräftige Pferde sowie Futter für zwei Wochen. Ferner einen Brief, der uns freies Geleit gibt, damit uns nicht jede übereifrige Patrouille aufhält.«
»Das lässt sich machen«, sagte er. »Die Pferde bringe ich binnen einer Stunde zusammen, den Brief lasse ich sofort aufsetzen. Aber er ist nur im Umkreis von zwanzig Leagues gültig. Danach bräuchtet Ihr ein Schreiben von anderen Kommandanten. Wollt Ihr etwas essen?«
»Meine Männer erhalten ihre Waffen«, überging sie seine Frage, während sie mit ihrem Blick eine Kerze entzündete. Nay zuckte zusammen. »Halten sich Auserwählte in der Stadt auf?«
»Nein.«
»Bevor wir etwas essen, sorg dafür, dass mir ein Zuber mit heißem Wasser bereitgestellt wird«, kam sie nun doch auf sein Angebot zurück. »Das würde mich über die Maßen glücklich machen.«
»Ich ordne es sofort an«, gab er sich beflissen. »Mit Eurer Erlaubnis werde ich Euch jetzt für kurze Zeit allein lassen.«
»Da haben wir aber noch mal Glück gehabt«, flüsterte ich, sobald Nay die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Nur gut, dass er dich in diesem Körper erkannt hat.«
»Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte ich hier alles in Schutt und Asche gelegt, ihn mit den Füßen unter der Decke festgenagelt und ordentlich durchgeschüttelt. In der Regel bringt dich das ganz wunderbar an dein Ziel.«
In der Tat. Auch diese Möglichkeit wäre wohl nicht ohne Reiz gewesen.
Auf dem Rückweg brachte Kallen kein einziges Wort heraus. Immer wieder drehte er sich um, um sich zu vergewissern, dass unsere Pferde noch da waren. Wir hatten die Stadt am Nachmittag wieder verlassen, ohne dass uns irgendjemand aufgehalten hätte. Eher im Gegenteil. Kallen vermochte es immer noch nicht zu glauben, Typhus grinste bloß in sich hinein.
»Was hast du denen gesagt?«, wollte er irgendwann doch wissen.
»Ich bin zum Hauptmann gegangen und habe verlangt, dass er unverzüglich Buße tun solle, andernfalls träfe ihn Meloths Zorn. Da es sich um einen gläubigen Mann handelte, hat dieser Trick bestens gewirkt, sodass wir nun Pferde und ein paar weitere Annehmlichkeiten unser Eigen nennen können.«
»Das war eine ernst gemeinte Frage!«
»Auf die ich dir eine ernst gemeinte Antwort gegeben habe! Anscheinend hast du vergessen, dass es ein Kinderspiel für mich ist, Blitze vom Himmel fahren zu lassen. Oder hältst du uns Glimmende etwa für völlige Taugenichtse?! Wir haben Glück gehabt – nimm das hin, danke Meloth, dass dieser Kommandant so eine taube Nuss war, und lass uns zu den anderen reiten, damit wir von hier verschwinden, bevor dieser Nabatorer begreift, dass er hereingelegt worden ist.«
Sie log tatsächlich, ohne rot zu werden.
Als wir wieder zu den anderen stießen, empfing uns fassungsloses Schweigen – das sogleich von begeisterten Schreien abgelöst wurde. Es hagelte Fragen. Als Shen und Rona sich Typhus’ Geschichte anhörten, bedachten sie mich mit einem fragenden Blick. Ich zuckte bloß die Achseln – und überließ der Verdammten auch weiter ihren Auftritt. Mylord Rando glaubte Typhus das Märchen ebenfalls nicht, was sie derart aufbrachte, dass sie eine unschuldige Birke mit einem Blitz in zwei Hälften spaltete. Das nahm den Zweiflern ein wenig den Wind aus den Segeln.
Als sich die Gemüter wieder weitgehend beruhigt hatten, suchten wir uns alle ein Pferd aus.
Weitere Kostenlose Bücher