Donner: Die Chroniken von Hara 3
Funkenträger«, erklärte er mit einem spöttischen Lächeln. »So hat es meine Lehrerin jedenfalls immer ausgedrückt, möge ihre Seele in besseren Welten weilen als dieser. Darüber hinaus gibt es aber noch eine Quelle, die von der klassischen Schule jedoch vollends vergessen wurde.«
Verständnislos runzelte Cavalar die Stirn.
»Ich spreche von den Häusern, mein Freund«, sagte der Glimmende. »Du kennst sie natürlich. Das Haus des Schmerzes, das Haus der Kraft und das Haus der Liebe.«
»Da müsst Ihr etwas verwechseln«, erwiderte Cavalar, der sich alle Mühe gab, ein Lächeln zu unterdrücken. »Die Häuser stellen lediglich Symbole dar, handhabbare Zeichen, um bestimmte Zauber zu wirken. Es gibt verschiedene Geflechte, in denen sie auftreten. Eine Quelle ist indes keines der Häuser …«
»Da irrst du. Früher, als die Menschen noch auf dem Westlichen Kontinent gelebt haben, hielt man die Häuser vielmehr für die entscheidende Kraft. Heute hat sich das freilich geändert. Deshalb vermag sich auch niemand mehr für sie zu entscheiden. Gleichwohl tritt man gewissermaßen in eines der Häuser ein, sobald man den eigenen Funken zum ersten Mal berührt. Nur geschieht dieser Schritt nicht länger bewusst.«
»Ach ja?« Cavalar wollte sich lieber nicht auf einen Streit mit diesem seltsamen Unbekannten einlassen.
»O ja. Die Sdisser wählen meist das Haus des Schmerzes. Wir das Haus der Kraft.«
»Und was ist mit dem Haus der Liebe?«
»Damit wiederum verhält es sich ein wenig … sonderbar. Nicht jeder Funkenträger ist imstande, es zu betreten. Dafür muss er von Liebe in ihrem umfassenden Sinne erfüllt sein. Es heißt, früher hätten es einige glückliche Seelen geschafft, aus dieser Quelle zu schöpfen und sich auf diese Weise gänzlich neue Wege zu erschließen. Angeblich stand ihnen sogar die Möglichkeit der Wiedergeburt offen«, fuhr der Glimmende mit seiner unangenehmen, kalten Stimme fort, deren Ton allerdings freundlich klang.
»Ist es eigentlich auch möglich, zugleich in zwei Häusern zu weilen?«, fragte Cavalar, der selbst nicht wusste, warum er das Gespräch mit dem Unbekannten fortsetzte. Noch dazu ein so absurdes Gespräch, wie er es nie zuvor im Leben geführt hatte.
»Durchaus – sofern du deine Kraft zugleich aus zwei Quellen schöpfst, aus dem Reich der Tiefe und den Glücklichen Gärten.«
»Aber das vermag niemand!«, widersprach Cavalar und brach in schallendes Gelächter aus.
»Gestatte mir in diesem Zusammenhang eine Frage«, bat der Glimmende und warf den Apfelrest zur Seite. »Ist dir bekannt, dass du seit dem Zeitalter der Spaltung der erste Mann mit der Gabe des Heilers bist?«
»Woher wisst Ihr das?«
»Ich habe mich etwas in den Archiven umgetan …«
»Wer seid Ihr überhaupt? Und warum habt Ihr mich angesprochen?«
»Lass dir eins gesagt sein«, überging er Cavalars Frage. »Bis zur Spaltung haben alle Funkenträger, die über jenen Aspekt der Gabe verfügten, über den auch du gebietest, beide Seiten des Funkens genutzt. Was nun deine Zauber anbelangt, da sind dir drei Fehler unterlaufen. Hier, hier und hier.«
Daraufhin zeichnete der Mann ein aufwändiges Ornament in die Luft.
»Euer Funke ist dunkel«, bemerkte Cavalar verstört. »Aber Ihr seid nicht aus Sdiss.«
»Und trotzdem stürzt du dich nicht auf mich und schreist nicht nach Hilfe«, spöttelte der Unbekannte. »Aus dir kann wahrlich noch ein anständiger Funkenträger werden.«
»Warum sollte ich mich auf Euch stürzen? Zur Spaltung ist es vor langer Zeit gekommen, unterdessen ist alle Feindschaft erloschen. Daher empfinde ich keinen Hass gegen Euch.«
»Das ist äußerst klug von dir. Du bist ein aufmerksamer Bursche. Die Schreitenden von heute verstehen nicht mehr allzu viel von den Quellen der Kraft, die ihnen fremd sind.«
»Was wollt Ihr von mir?«
»Eine Kleinigkeit. Versuche einmal, den Zauber zu wirken, den ich dir eben in die Luft gezeichnet habe. Es ist dein Geflecht, an dem ich einige Veränderungen vorgenommen habe. Damit sollte sich ihm auch dein lichter Funken fügen.«
Sobald Cavalar das Geflecht nachwirkte, antwortete ihm sein Funken, streckte sich ihm geradezu entgegen.
Kurz darauf erblühten an einem Zweig der Pappel große, purpurrote Blätter.
»Tatsächlich, es ist gelung…«, rief Cavalar begeistert, während er sich dem Unbekannten zuwandte. Doch der Mann war verschwunden.
Mit zusammengekniffenen Augen spähte Cavalar durch den Garten, verließ die Laube und
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