Donner: Die Chroniken von Hara 3
Mann töten! Ich habe es gerade noch geschafft durchzuschlüpfen, bevor das Tor samt Pfad geschmolzen ist!«
»Damit hast du dich wie ein ausgemachter Dummkopf verhalten!«
»Bitte?!«
»Du hast mich genau verstanden!«, fuhr Mithipha ihn an. »Weshalb musstest du unbedingt nach Alsgara zurück?! Als ob diese Stadt wichtiger ist als der Funkentöter! Wenn dieses Artefakt in fremde Hände gerät …«
»Ich verbitte mir diesen Ton, du widerwärtiges Miststück!«, brüllte Rowan und griff nach seinem Schwert.
»Ich rede genau in dem Ton mit dir, den du verdienst«, parierte Mithipha gelassen. »Alsgara ist völlig belanglos, der Funkentöter dagegen von unermesslichem Wert. Das dürftest du genauso gut wissen wie ich. Obendrein …«
Doch noch ehe sie den Satz beenden konnte, schlug Rowan wütend mit dem Schwert auf das Silberfenster ein, um auf diese Weise das Gespräch abzubrechen. Das Wasser aus der Schüssel spritzte hoch auf und rieselte fröhlich aufs Bett nieder.
»Gesprächig wie eh und je«, brummte sie, stand auf und wrang sich die nassen Haare aus.
Sie konnte nur mutmaßen, wie viel Wahrheit in Rowans Worten steckte. Ihm war durchaus zuzutrauen, dass er sie angelogen hatte, was den Funkentöter anging. Sie selbst hätte es jedenfalls so gehandhabt. Daher schien ihr größte Vorsicht geboten: Rowan war nicht nur krank im Kopf, sondern auch außerordentlich nachtragend. Nicht, dass er auf den Gedanken verfiel, ihr die Schwierigkeiten bei der Begegnung mit Talki sowie die Verletzungen, die ihm diese Unbekannte zugefügt hatte, anzulasten …
»Die Kutsche wartet auf Euch, Herrin«, flüsterte eine Sklavin, die leise das Zelt betreten hatte.
»Bring mir auf der Stelle ein neues Kleid! Und ein Handtuch!«
Die Sklavin stürzte hinaus, den Befehl auszuführen. Als sie zurückkam, half sie Mithipha beim Umkleiden. Währenddessen verdrängte diese jeden unangenehmen Gedanken, blieb ihr in der Kutsche doch noch ausreichend Zeit, sich über Talkis seltsamen Tod und diese Unbekannte den Kopf zu zerbrechen.
Kapitel
10
Den Raum erhellte nur trübes Licht. Über die Wände tanzten fahle, unangenehm purpurrote Punkte. Ich kniff die Augen zusammen, um meine Umgebung besser erkennen zu können, machte aber nur bis zu vierzig Schritt vor mir noch etwas aus.
Platten aus Karneol verbrannten mir mit ihrer Kälte die bloßen Füße. Es schmerzte nicht, ich hatte lediglich den Eindruck, meine Füße würden augenblicklich an ihnen haften bleiben, hielte ich auch nur einen Moment inne. Deshalb bewegte ich mich unablässig vorwärts, selbst wenn ich mich gerne erst noch länger umgesehen hätte.
Am ehesten erinnerte dieser Ort an den Turm der Schreitenden. Auch hier wiesen alle Linien eine gewisse Strenge auf, waren die Säulen, Bögen und Strebepfeiler elegant gestaltet. Der gleiche Baumeister musste diese beiden Anlagen geschaffen haben. Allerdings war der Turm bei all seiner Größe nie derart menschenleer gewesen …
Die eingeschlagenen Türen, die verbrannten Vorhänge, das zerfetzte Leinen in den vergoldeten Rahmen sowie vereinzelte Rußflecken an der Decke zeugten von einem Kampf, der hier stattgefunden haben musste. Eine Leiche hatte ich bisher jedoch noch nirgends entdeckt. Auch keine Blutspuren.
Da ich keine unmittelbare Gefahr witterte, lief ich durch die Räume, ohne irgendwo Deckung zu suchen. Ich lauschte auf die Stille, sah mich aufmerksam um und versuchte, mir darüber klar zu werden, wo ich mich eigentlich befand.
Durch zahllose Säle gelangte ich in einen riesigen Raum, dessen Boden unter Wasser stand und mit Glasscherben bedeckt war, den Resten der zerschlagenen Kuppel. Die Scherben bildeten eine dicke Schicht. Wie sollte ich barfuß über sie gehen, ohne mir die Haut aufzuschlitzen? Kurz entschlossen zog ich meine Jacke aus und zerschnitt sie. Am anderen Ende wartete jemand auf mich, das wusste ich genau. Deshalb durfte ich keine Sekunde zögern und opferte lieber meine Jacke.
Kaum hatte ich mir die Lappen um die Füße gewickelt, durchquerte ich vorsichtig den Saal. Es regnete. Der Regen murmelte, raunte und flüsterte vom nahenden Winter. In ihm meinte ich die Worte: »Spute dich!« zu vernehmen.
Doch wohin? Im Saal gab es unendlich viele Treppen und Gänge. Woher sollte ich wissen, welchen Weg ich wählen musste?
Das Rauschen des Regens durchbrach nun ein zarter, melodischer Triller, als blase jemand auf einer Holzflöte. Der Ton kam von rechts über mir. Ihm folgend, begab ich mich über
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