Donner: Die Chroniken von Hara 3
sie lieber nicht denken. Sie schwang sich auf eines der Pferde, schob die schwere Kapuze nach hinten und sah ein letztes Mal zu den zahlreichen Türmen im Regenbogental zurück, die jedoch von einem Regenschleier verhüllt wurden. Als Tränen in ihr aufstiegen, suchte sie diese hinunterzuschlucken. Dann preschte sie davon.
Obwohl ihr in der Tigergalerie niemand begegnete, gab sich Gilara keinen falschen Hoffnungen hin: Irgendwann würden die Feinde auftauchen …
Sie stand in der breiten Galerie, deren Wände zahlreiche helle Quadrate zeigten. Das war alles, was von den Bildern, die hier über viele Jahrhunderte gehangen hatten und sich nun auf dem Weg nach Loska befanden, geblieben war. Eine Weile lauschte sie auf den Regen, der auf die gläserne Kuppel schlug, dann ging sie gemessenen Schrittes zu jenem Saal, in dem die Treppen aus allen Lehr- und Wohnteilen zusammenkamen.
Schon seit mehr als zehn Minuten spürte sie jetzt kein Auflodern des Funkens mehr. Das konnte nur eines heißen: Alle Schreitenden, die sie zum Haupteingang geschickt hatte, mussten tot sein. Ihre ganze Hoffnung ruhte nun auf Relth. Wenn es ihm doch bloß gelänge, Algha und die anderen aus der Schule herauszuschmuggeln. Innerlich wappnete sie sich für einen Kampf, um ihm Zeit zu verschaffen.
Nun brach auch noch der Schmerz mit aller Wucht über sie herein, fiel über ihre Wirbelsäule und ihre Leber her. Obwohl sie immer wieder nach Luft ringen musste und ihr schwarz vor Augen wurde, zwang sie sich weiterzugehen. Zu ihrem Erstaunen erloschen die feurigen Nadeln sogleich – vermutlich nur, um in einem besonders ungelegenen Moment erneut zuzustechen.
Der Saal der Tausend Treppen wurde ebenso wie die Tigergalerie von einer gläsernen Kuppel überspannt. Darunter brannten Tausende von Lichtkugeln. Kurz entschlossen schleuderte Gilara einige Zauber gegen die Wände und auf den Fußboden, mit ihnen magische Fangeisen auslegend. An eines dieser Geflechte koppelte sie zudem den Spiegel Cavalars an.
Anschließend richtete sie sich aufs Warten ein.
Es vergingen nur wenige Minuten, als fünf Nekromanten in den Saal kamen. Einer von ihnen war bereits verwundet. Gilara warf ihren Stock zur Seite. Kraft durchströmte sie, der lodernde Funken schenkte ihren Muskeln und Gelenken die verlorene Jugend zurück.
Der erste Nekromant, der in eine ihrer Fallen trat, starb auf der Stelle. Daraufhin gingen die übrigen zum Angriff über. Der älteste und erfahrenste unter ihnen setzte alles daran, die Fallen zu entschärfen, ein anderer wehrte einen harmlosen Zauber Gilaras ab, verfing sich dann jedoch in einem anderen – und starb an der Kraft seines eigenen Schlages, der durch den Spiegel Cavalars zu ihm zurückgeworfen worden war.
Die drei noch lebenden Nekromanten stürzten sich wie wilde Tiere auf Gilara, die sich unablässig durch den Saal bewegte, mühelos die dunklen, von allen Seiten auf sie einprasselnden Zauber abwehrte und ihrem Feind ein ums andere Mal mit einem noch komplizierteren Geflecht antwortete.
Ein verletzter Nekromant sank in den Boden ein, als handle es sich um eine zähe Brühe, und zappelte ungestüm, erstarrte aber schließlich zu einer grotesken Statue, kaum dass die Flüssigkeit so hart geworden war wie der beste morassische Leim.
Die Kuppel barst, und klirrend fielen Abertausende spitzer Scherben zu Boden, auf ihrem Weg nach unten die Regentropfen einholend. Aus den Splittern gedachte sich einer der beiden verbliebenen Nekromanten einen zusätzlichen Schild zu formen. Gilara kam ihm jedoch zuvor und fügte Scherben wie Regentropfen zu drei gewaltigen spitzen Lanzen. Eine nach der anderen schlug in den bisherigen Schild des Mannes ein. Die erste schwächte ihn, die zweite zersplitterte ihn, und die dritte flog durch ihn hindurch, um sich in den Nekromanten zu bohren und ihn in Stücke zu reißen.
Nun stand Gilara nur noch ein einziger Gegner gegenüber. Der jedoch stapfte, vom Tod seiner Gefährten gänzlich unbeeindruckt, stur und voller Entschlossenheit auf die Schreitende zu. Unermüdlich griff er an. Der Spiegel Cavalars warf indes jeden seiner Zauber gegen ihn selbst zurück. Schon bald ertrank der Saal in grell blendendem Licht. Als Gilara endlich wieder Einzelheiten wahrzunehmen vermochte, gab es auch diesen letzten Nekromanten nicht mehr.
Erst jetzt wurde sie ihre Erschöpfung gewahr. Sie schaffte es kaum, noch einen Fuß vor den anderen zu setzen, fürchtete, jederzeit zu fallen. So schleppte sie sich zu ihrem Stock
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