Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
Die unmöglichste aber auch faszinierendste Welle,
von der ich bis jetzt gehört habe. Das ist keine dieser Tiefwasser-Bomboras. Du
musst dir tückisches Spritzwasser vorstellen und eine Riesenwelle, die garantiert
nie sauber bricht.«
Kilian beobachtet
die Wirkung seiner Worte auf Oleanders Gesicht. Der ist in einem Wechselbad der
Gefühle, wobei die Skepsis noch überwiegt.
»Das ist
doch hirnrissig, kein Mensch kann so etwas surfen!«, wiegelt er ab.
»Bist du
dir sicher?«, stachelt Kilian ihn erneut an.
Der imaginäre
Ort, den Kilian anpreist, liegt ganze drei Meilen vor der Küste. Er stellt seinen
Finger auf die Karte, bis der Punkt in Oleanders Bewusstsein verankert ist.
»Der Spot
liegt in der Nähe einer Lavainsel! Das ist nichts für Feiglinge! Die Ecke ist ein
Hailoch«, sagt er herablassend und hebt im nächsten Moment die Stimme. »Kurz bevor
die Welle über dem Riff bricht, nimmt sie die Rundung eines Walkopfes an. Moby Dick!«
»Glaubst
du allen Ernstes, dass es wirklich möglich ist, sie zu reiten?« Oleander pocht das
Blut in den Schläfen und er versucht, seine Stimme nicht besorgt klingen zu lassen.
»Lasst die
Finger davon, Jungs«, mahnt Freja.
Doch der
Ehrgeiz ist bereits angefacht, beginnt im Namen der Ehre lichterloh zu brennen.
Ein Name hat sich ins Gedächtnis gebrannt: Moby Dick! Moby Dick! Moby Dick!
Der Herbst
kommt. Auf der Wetterkarte sieht das Sturmgebiet über dem Ozean wie ein stetig wachsender
Tumor aus, als Freja das Motorboot mit den Freunden seewärts steuert. Oleander spürt
den Wind an seinen Haaren zerren, und seine Angst gleicht den schwarzen Wolkenbänken,
die auf die Küste zutreiben. Im Oktober, bei eher sanften Swells, hatten sie sich
die Stelle wieder und wieder angesehen. Jetzt kündigt ein mörderisches Krachen von
der Gewalt der hohlbrechenden Wassermasse, die abgerissenen Riementang und Muschelbruch
in die Luft schleudert. Sie ankern in sicherer Entfernung und beobachten aufgewühlt
die Serien. Die Männer haben ihre Brewers dabei, lange, schwere Bretter, wie sie
die Hawaiianer bauen. Oleander gibt sich miesepetrig, um seine Angst zu verbergen,
paddelt mit aller Kraft hinter Kilian her, der sich hinter einer Turbulenz aufsetzt,
während Oleander sich bäuchlings treiben lässt.
Die Dinger
sind deutlich zu steil, schießt es durch seinen Kopf, während er zu Freja schielt,
die im Boot wartet. Und dieses Scheißriff. Das Risiko ist viel zu hoch.
Eine breite
Welle schwingt herein und urplötzlich geht Kilian sie an. Er kämpft mit dem Wasser,
bis er genügend Tempo erreicht hat. Es donnert, als würde ein Haus einstürzen, und
Sekunden später stürzt Moby Dick über Kilian zusammen. Aber seine Füße kleben am
Brett, und mit außerirdischer Kraft reißt er es herum. Die Welle bäumt sich keilförmig
auf, zeigt ihre hässlich gebogene Fratze, dunkel wie die Nacht. Die Flosse von Kilians
Board greift, er schießt vorbei und verschwindet in der explodierenden Gischtwolke.
Einen unendlichen Augenblick lang ist er gänzlich verschwunden, doch dann spuckt
Moby Dick ihn wieder aus. Er gleitet lauthals johlend ins tiefe, sanfte Wasser.
Kilian hat Moby Dick bezwungen, die Welle erobert und Oleander kann nur voller Neid
aus der Ferne zuschauen. Nach diesem Tag ist der Ritt auf Moby Dick der Maßstab,
mit dem in Zukunft ihre Freundschaft gemessen wird.
»Ich war danach immer derjenige,
der Moby Dick bezwungen hat. Heute bin ich der Meinung, Ole hat diesen verlorenen
Wettstreit nie verwunden. Er ist auch der Auslöser dafür, dass Ole sich aus unserer
gemeinsamen Beziehung zurückgezogen hat. Die plötzlich hervorbrechende Eifersucht
war ein Symptom seiner Gekränktheit. Nach Moby Dick hatte unsere Beziehung einen
Knacks und ist nie wieder wie vorher geworden.«
»Und Sie
sind in dieser Geschichte das Unschuldslamm, das wollen Sie mir offensichtlich weismachen?«,
stellt Swensen mit sarkastischem Unterton fest.
»Sie glauben
mir nicht?«
»Mein Beruf
verleiht mir eine gesunde Ungläubigkeit. Das hat nichts mit Ihnen persönlich zu
tun.«
»Ich hatte
keinen Grund, meinen Freund Ole umzubringen!« Kilian Martens Stimme ist ausdruckslos,
als bräuchte sie keinen Nachdruck, damit man ihr glaubt.
»Wenn Herr
Eschenberg eifersüchtig gewesen ist«, sagt Swensen, »dann sind Sie der Grund für
diese Eifersucht. Und Sie haben selbst bestätigt, dass die Eifersucht auch berechtigt
war.«
»Wie meinen
Sie das?«
»Nun, offensichtlich
wollte Herr Eschenberg seine
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