Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
Rädern, auf die Brücke und rast auf der
gegenüberliegenden Seite in die zerfetzten Gleise. Metall kracht schrill, Eisenräder
bohren sich in die Erde des Eisenbahndamms. Die schon beinah stehende Lok neigt
sich langsam, kippt dann seitwärts von der Böschung und reißt die ersten drei Waggons
mit hinab. Die Fahrzeuge der Wehrmacht stoppen am Damm vor dem Flusslauf. Die beiden
Ziegelpfeiler, die den Eisenträger der schmalen Brücke stützen, sind von der Sprengung
beschädigt. Überall liegen Steine über das Gelände verstreut. Einer der hinteren
Waggons steht quer auf der Brücke, blockiert den Weg zu dem verunglückten Zug. Als
Hauptmann Kreuzhausen den Fuß aus dem Opel in den strömenden Regen stellt, ist von
irgendwelchen Saboteuren weit und breit nichts mehr zu sehen. Er veranlasst, baldig
über Funk den Wachhabenden vom Lager Nymindegab zu informieren, dass von dort umgehende
Hilfe der dänischen Polizei kommen solle.
Der Ärger
über den Misserfolg lässt ihn drei Nächte nicht schlafen. Besonders wütend ist er
auf die dänische Polizei, die kaum noch Anstalten macht, in ihrem eigenen Land für
Ruhe und Ordnung zu sorgen. Sie war erst am nächsten Mittag an der Unglücksstelle
erschienen und zeigte nicht die geringste Bemühung, der Täter habhaft zu werden.
Kreuzhausen hat sich den Polizeibericht aus der Nacht besorgen lassen und sitzt
nun seit einer halben Stunde im Vorzimmer von General von Hanneken. Hinter der hohen,
doppelflügeligen Tür rührt sich überhaupt nichts. Der Parkettfußboden riecht nach
Bohnerwachs. Die Sekretärin ignoriert seine Anwesenheit, tippt nur stakkatoartig
auf ihrer Rheinmetall Schreibmaschine. Ein gequälter Ausdruck huscht über das Gesicht
des Hauptmanns, innerlich aufgebracht liest er den dänischen Polizeibericht zum
dritten Mal: »Bombenexplosion auf der Brücke der Nørre Nebel-Bahn am 5 September
um ca. 23.00 Uhr. Entgleisung des ›Piraten‹, der mit Arbeitern und Baumaterial zum
Lager Nymindegab unterwegs war. Detonierte Sprengbombe vom Typ P808 gefunden. 13
Leicht- und fünf Schwerverletzte. Untersuchung abgeschlossen. Fall ungeklärt.«
Erneut spürt
er seine Wut, murmelt leise »Unverschämte Frechheit« vor sich hin und will gerade
die Sekretärin anpflaumen, als die Zwischentür aufgeht. Die stattliche Figur des
Generals steht im Rahmen und winkt kurz mit der rechten Hand.
»Kreuzhausen,
kommen Sie rein!«, sagt von Hanneken mit einem müden Lächeln und drückt dem Hauptmann
die Hand. »Tut mir leid, dass Sie kurz warten mussten. Was gibt es Dringendes?«
Von Hanneken
eilt in sein Büro zurück und sitzt bereits wieder hinter seinem Schreibtisch, als
Kreuzhausen Platz nimmt.
»Ein Informant
bei der dänischen Polizei hat mir diesen Bericht zugespielt, Herr General«, meldet
Kreuzhausen und reicht das Papier über den Tisch. »Die Art und Weise, wie der Wisch
verfasst wurde, zeigt überdeutlich, welche Gesinnung dahinter steht.«
Hanneken
liest, zieht mehrmals die Augenbrauen hoch und schaut sein Gegenüber fragend an.
»Die Lage
spitzt sich zu, Herr General. Selbst im Bereich Nordjütland vergeht kaum noch ein
Tag ohne neue Sabotageakte, am 7. wurde ein OT-Bus in Varde gesprengt, dazu vier
Lastwagen in Nordby. Auf der Fähre nach Fanø ist eine Bombe explodiert. Das Schlimme
daran: Die Täter entkommen in den meisten Fällen. Dabei mangelt es am sichtbaren
Willen der dänischen Polizei, selbst bei direkten Anfragen unseren Ordnungskräften
hilfreich zur Seite zu stehen. Bei Verhaftungen von Saboteuren lässt sich feststellen,
dass wir nicht nur Waffen aus den Beständen des ehemaligen Militärs sicherstellen,
sondern eindeutig auch Polizeiwaffen. Es muss etwas Grundsätzliches passieren, sonst
wird der Konflikt eskalieren und ich kann …«
»Wird es
Kreuzhausen, wird es!«, unterbricht der General. »Es laufen bereits vertrauliche
Gespräche, um den Missstand endgültig zu beseitigen. Danach werden unsere Ordnungskräfte
härter durchgreifen können. Auf Sie wird aber auch eine größere Verantwortung zukommen,
Kreuzhausen. Frischen Sie diesbezüglich schon mal Ihre Dänischkenntnisse auf.«
»Dürfen
Sie schon konkreter werden, Herr General?«
»Es gibt
Befürchtungen, dass der Reichsbevollmächtigte Best vorher Wind von der Sache bekommt.
Er genießt nicht mehr das volle Vertrauen in Berlin. Also, höchstes Stillschweigen,
Kreuzhausen, das versteht sich von selbst. Der Führer hat die Auflösung der dänischen
Polizei befohlen. Ich werde in
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