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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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als sonst ins Schloss fällt. Sein erster Impuls ist, Freja sofort zu folgen,
sie in den Arm zu nehmen. Doch er bleibt angespannt sitzen. Mehrere Male spürt er
den Impuls, doch noch zu ihr zu gehen, mit ein paar versöhnenden Worten die Sache
aus der Welt zu schaffen. Letztendlich bleiben seine Glieder bleischwer wie der
Trotz gegen seine Eltern.
    Er starrt
aus dem Fenster, in dem sich das Feuer des Kaminofens spiegelt. Es flackert wie
seine Traurigkeit, die er vor sich selbst verbergen möchte. Einer seiner Gedanken
zieht ihn in ein Früher, ein friedliches Früher. Vor seinen Augen taucht die prachtvolle
Bambushütte von Kilian auf, die einsam inmitten der Bäume an einem Hang des Haleakala
steht, ein tempelähnlicher Pfahlbau auf riesigen Kiavé-Baumstämmen. Kilian verbringt
dort nur wenig Zeit, höchstens einige Tage, auch mal eine Woche, nach einem seiner
aufreibenden Wettkämpfe irgendwo auf der Welt. Er hat Oleander gleich nach Fertigstellung
der Hütte angeboten, dass er jederzeit und unangemeldet dort wohnen könne und hat
das Versprechen auch nach dem Ausscheiden Oleanders aus seinem Team nicht widerrufen.
Wenn Kilian auf Maui weilt, lebt er hauptsächlich im Tal, direkt am Strand. Dort
hat er für das ›tow-in-surfing‹, wie er sein Schleppsurf-Projekt nennt, zusätzlich
ein großes Gelände mit Häusern und Schuppen gekauft. Von da aus schleppen Mitarbeiter
mit Jetskis, einer Art Motorrad der Meere, Leute gegen Bezahlung auf ihren Brettern
zu den Riesenwellen weit vor der Insel.
    Im Herbst
1997 stürmt der Kona-Wind, dieser unangenehme Passatwind aus dem Süden. An dem Tag
steuert Oleander seinen Wagen das erste Mal nach Ende seiner Profilaufbahn den steinigen
Weg zu Kilians Hütte hinauf. Er fährt durch eine Allee von zerzausten Bananenstauden.
Die weißen Scheinwerferkegel erfassen eine Gestalt, die auf der Holztreppe vor der
Terrasse sitzt. Oleander hat seinen Wagen noch nicht abgestellt, da steht der Mann
bereits neben der Fahrertür.
    »Niels Skov«,
sagt der knapp, als er den Fuß auf den Boden stellt. »Ich bin ein Freund von Kilian.
Hab ihn im Sommer in Saintes-Maries-de-la-Mer getroffen und er hat mir angeboten,
ein paar Wochen kostenlos in seiner Hütte zu wohnen.«
    Niels Skov,
ein drahtiger Mann mit auffällig großen Händen und einem fast lautlosen Lachen,
ist genauso groß wie Oleander. Der blonde, sommersprossige Däne versteht sich auf
Anhieb mit ihm, und sie teilen sich die Hütte, als hätten sie vorher schon eine
Ewigkeit zusammengelebt. Am meisten amüsiert es sie, dass sie gerade aus den gleichen
Gründen mit dem Windsurfen aufgehört haben. An dem Abend, an dem sie ihre Gemeinsamkeiten
entdecken, sitzen sie auf der Terrasse. Ein feuchter Nebel liegt in der Luft, und
die vertrauten Geschichten aus der Surferwelt wollen nicht enden.
    »Ich konnte
diese überdrehte Schauakrobatik irgendwann nicht mehr ertragen, Alter«, hört Oleander,
während Niels mit theatralischer Gestik ein Fazit aus seinen letzten Jahren zieht.
»Dieses Tohuwabohu mit dem Material, diese wie Monsterwellen anschwellenden Kosten,
jeden Tag neu den elenden Scheiß irgendwo hinschaffen.«
    Oleander
braucht nichts dazu zu sagen, er nickt nur und dreht nebenbei einen Joint nach dem
anderen.
    »Ich hab
mich aller Sachen entledigt«, beschwört Niels. »Im Moment besitze ich nur noch ein
Surfboard, für die richtig guten Tage vor Hookipa.«
    »Ohne Meer
und Wind kann ich mir mein Leben nicht vorstellen«, widerspricht Oleander dann doch.
»Aber ich würde gerne eine andere Art des Surfens finden, näher an der Natur, ein
nur vom Wind getriebenes Dahingleiten. Vor einigen Jahren habe ich einen Surfer
beobachtet, der sich mit einem kleinen Drachen über den Sandstrand ziehen ließ.
Das Ding war völlig simpel gemacht. Stoff, zwei Leinen und zwei Griffe. Und jetzt
stell dir vor, das auf dem Wasser zu machen. Du stehst auf einem Brett und ein Drachen
zieht dich über die Wellen. Das wäre der Wahnsinn! Was sagst du dazu, Niels?«
    »Ich könnte
welche besorgen, Alter, wenn ich wieder in Neuseeland bin. Ich kenne dort einen
Typen, der solche halbmondförmigen Drachen verkauft, etwa zwei bis drei Quadratmeter
Fläche.«
    »Das ist
es, Niels, das ist genau, wonach ich gesucht habe! Mach das! Ich warte hier auf
dich und arbeite unterdessen an den passenden Brettern für uns.«
    Obwohl Oleander
feststellen muss, dass seine Joints feucht geworden sind, rauchen sie gemeinsam
auf ihren Beschluss. Das Gras schmeckt zwar wie ein

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