Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
ließ.«
»Das ist
1.000 Jahre her, Alter!«, wehrt Oleander müde ab. »Hitler ist vermodert wie dieser
Bunker. Der Rest ist Geschwafel von gestern. Du willst Spaß haben und ich will Spaß
haben und hier bei euch in Klitmøller gibt es nun mal die besten Wellen. Das ist
alles was zählt!«
Doch Oleander
sieht resigniert, dass Knuds Augen weiterhin angriffslustig funkeln.
»Es ist
erst 64 Jahre her, keine 1.000 Jahre! Nicht so lange Zeit, finde ich!«, macht Knud
mit unterschwelliger Aggression weiter.
»Jetzt ist
aber langsam gut, Alter!«, zischt Oleander erbost. »Erik? Arne? Warum werde ich
von euren Kumpels so peinlich angemacht? Habt ihr keine Meinung dazu?«
»Knud erzählt
dir etwas über unsere dänische Vergangenheit, und er wird seine Gründe haben!«,
stellt Niels mit Nachdruck fest. »Und ein Deutscher, der Dänemark besucht, sollte
darüber Bescheid wissen.«
»Was interessiert
mich Knuds Geschwafel! Er ist nicht mein Kumpel! Aber du bist mein Kumpel, Niels!
Und Erik und Arne sind meine Kumpel. Mensch, Leute, wir waren dicke Freunde auf
Hawaii, haben nächtelang zusammen gefeiert! Hatten wir jemals irgendwelche Probleme?«
»Aber wir
sind nicht mehr auf Hawaii, Alter! Das ist 1.000 Jahre her! Wir sind hier in Cold
Hawaii, und das liegt im Königreich Dänemark!« Niels Stimme überschlägt sich, und
er hält dem wütenden Blick von Oleander stand.
»Du hast
ein Problem mit mir, Niels? Na los, spuck es aus!«
»Wozu, Alter?
Du weißt genau, was das Problem ist!«
»Ich bin
halt im Moment klamm, Kumpel! Unser Laden muss erst einmal richtig laufen.«
»Du vertröstest
mich schon Jahre, Ole. Wann wirfst du endlich ein wenig Kohle rüber, wie du es versprochen
hast?«
*
Die niedrige Sonne hat den Himmel
in Brand gesetzt und die mächtigen Sturmwolken beim Untergang zu orangefarbener
Asche verbrannt. Oleanders Wut im Bauch wandelt sich schlagartig in Schmetterlinge,
als er mit seinem Suzuki Jimny auf den Seitenhof des Hotelgebäudes fährt. Direkt
vor der Eingangstür von Frejas Wohnung parkt ihr alter Renault Kangoo, daneben steht
ein dunkelblauer GM Daewoo.
Der Flug
hat anscheinend schneller geklappt, als sie erwartet hatte, denkt er und schaut
zum brennenden Licht im Badfenster hinauf. Er klingelt, um seine Ankunft anzukündigen,
bevor er die Treppe in den ersten Stock hinaufsteigt. Freja erwartet ihn an der
offenen Wohnungstür, steht da in abgewetzten Jeans, einem weißen, zu kurz geratenen
Hemd und mit einer gespannten Körperhaltung, als wäre sie in Alarmbereitschaft.
Sie ist frisch geduscht, hat ihre Haare zum Trocknen in ein Handtuch gedreht, das
dem schmalen, fast spitzen Gesicht die Ausstrahlung einer Madonna verleiht. Sie
lächelt mit ihrem Kirschmund, als wolle sie jeden Heiligen sofort vom rechten Weg
abbringen. Als sie sich küssen, überkommt Oleander das Gänsehautgefühl nackter Begierde,
dem er aber bei dem Gedanken an das zweite Auto keinen freien Lauf lässt. Gleichzeitig
fühlt er sich unwohl, verspannt seine Nackenmuskulatur. Frejas Mutter ist bezaubernd
und unberechenbar in einer Person, das hat er aus den wenigen Begegnungen mit ihr
gelernt.
»Warum hast
du nicht angerufen, bevor du geflogen bist?«, fragt Oleander Freja und lässt bewusst
etwas Vorwurfvolles in seiner Stimme mitschwingen. Dann löst er sich abrupt aus
ihrer Umarmung. »Ich wäre schon früher vom Strand aufgebrochen.«
»Freja,
hvem er det der er kommet?«, ruft die Stimme der Mutter aus dem Wohnzimmer.
»Oleander!«,
ruft sie zurück
Die Mutter
sitzt lässig auf dem schwarzen Ledersofa, das neben dem brennenden Kaminofen steht.
Oleander steht in der Tür, sein Blick bleibt an der Mutter haften. Sie ist so ziemlich
die schönste Frau, die er je gesehen hat. Ein erhabenes Ebenbild ihrer Tochter,
mit derselben unbändigen Erotik, die von den eisengrauen Haaren und ihrer sportlichen
Figur sofort in eine unantastbare Ferne gerückt wird. Eine Erotik, die in jeder
ihrer Bewegungen mitschwingt. Doch genauso anziehend wie Oleander Sandi Sjøqvist
vom ersten Augenblick an empfunden hat, umso weniger ist sie ihm näher gekommen.
Sie war stets unnahbar geblieben, hatte manchmal sogar etwas Feindliches ausgestrahlt.
Dabei war sie nach außen freundlich und zugewandt, und Oleander hatte Freja sein
ungutes Gefühl nie offenbart.
Freja schiebt
Oleander mit Nachdruck in den Raum. Der nickt der Mutter verkniffen zu, bringt mit
Mühe ein »God dag, Miss Sjøqvist« heraus und starrt danach auf die langen
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