Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
allen Banden
zum Trotz, die uns mit dieser Welt verbinden.
Es gibt aber auch
trübe Gedanken. Manchmal sehne ich mich nach den alten Zeiten, mit Vater auf dem
Kutter, einen Guss eiskaltes Salzwasser im Gesicht. Dann möchte ich nur einen Augenblick
den Wind spüren, der uns um die Ohren tost. Aber die Gedanken sind nur kurz, denn
was getan werden muss, das muss jetzt getan werden. Meine Gedanken drehen sich allein
um die Gegenwart, jeden Augenblick muss ich auf das Unvorhergesehene gefasst sein.
Volle Anspannung, immer auf dem Sprung und bereit, das eigene Leben als Einsatz
in die Waagschale zu werfen. Ich habe mich für dieses Leben entschieden, bis kein
Deutscher mehr in unserem Land ist.
Ich denke jeden
Tag an euch, liebe Eltern. Ich liebe euch! Grüßt meine kleine Schwester von mir
und sagt ihr, ich lebe mit Freunden zusammen, die alles für Dänemark tun.
PS. Übrigens, die
beiden Lastwagen der Organisation Todt, die Baumaterial auf die Befestigungsanlage
nach Hansted transportieren wollten und die in Thisted in die Luft gesprengt wurden,
die gehen auf unsere Rechnung.
Euer Malthe
Er starrt auf die Schubkarren, die
unaufhaltsam große Mengen Kies und Sand an ihm vorbeischaffen, starrt auf die immer
tiefer werdenden Spuren, die sich in den Erdboden fressen, sodass die Männer für
die gleiche Strecke von Mal zu Mal länger brauchen. Oben auf dem Gerüst winken die
Mischer herunter, heben fragend die Schultern, wo denn die nächsten Eimer Zement
bleiben. Die Männer haben fast ihr menschliches Aussehen verloren. Hinter ihren
dicken Staubbrillen sehen sie aus, als wären sie bereits versteinert. Graue Mumien.
Nur der rote Mund ist beim Schreien noch deutlich zu erkennen.
»Was ist
los mit dir, da unten? Träumst du, Jesper! Deine Säcke stapeln sich schon neben
dir!«
»Heeeh!
Die deutschen Wachen gucken schon rüber«, mahnt eine der grauen Gestalten und wuchtet
einen neuen Zementsack von der Schulter vor Jesper Strædes Füße. Die schleichende
Angst, die seine Glieder einen Moment im Griff hatte, ist nicht verschwunden, aber
die Handgriffe funktionieren wieder.
Von den
Betonmischern führt eine 200 Meter lange Holzbrücke zu dem Fundament der Bunkerbaustelle.
Hier ist eine Handvoll dänischer Arbeiter damit beschäftigt, mit routinierten Handbewegungen
den letzten Rest Armierungseisen mit Stahldraht zu verbinden. Als sie endlich aus
der Baugrube klettern, winken die deutschen Wachen den Arbeitern am ersten Mischer
zu: »Es kann losgehen! »Så kan vi starte!«
Für den
fertigen Beton gibt es spezielle Schubkarren, die sogenannten ›Japaner‹, wannenartige
Gebilde mit großen Speichenrädern. Auf der Brücke setzt sofort ein reger Betrieb
ein. Männer karren im Eilschritt den Mörtel zu einem Trichter an der Bunkerbaustelle,
von dem aus er zwischen das Eisengitternetz verteilt wird. Als die Betonmischung
die Bodenhöhe der späteren Räume erreicht hat, kündigt eine Sirene die Mittagspause
an. Der Beton muss erst anhärten, bevor es weitergeht.
»Es gibt
leckere Brotsuppe«, scherzt einer der Arbeiter, während er mit den anderen zu einer
Holzbaracke stapft. »Brotsuppe, Kollegen, mit extra kleinen Mäusestückchen!«
Jesper Stræde
ist froh, dass er nicht die Verpflegung auf der Baustelle essen muss. Mit festem
Schritt marschiert er zum Wachhäuschen am Eingang des Militärgeländes. Aus der Ferne
kann er schon Aase und Damaris mit ihren Fahrrädern stehen sehen. Die beiden Mädchen
sind mittlerweile unzertrennlich, Damaris ist immer dort, wo auch Aase ist. Das
Mädchen reicht dem Vater gerade das Essgeschirr, das sie jeden Tag für ihn auf die
Baustelle bringt, als eine dunkelbraune Opel Olympia Limousine über den Feldweg
zum Gelände heranbraust. Dem Wachsoldaten gelingt es gerade noch rechtzeitig, den
Schlagbaum in die Höhe zu stemmen. Neugierig hebt Aase den Blick, und sie sieht
das Gesicht eines Soldaten auf dem Beifahrersitz, der im selben Moment zu ihr hinüberblickt.
Die Farbe seines goldblonden Haars und sein breites Lächeln springen durch die Seitenscheibe
auf sie zu, sekundenschnell, dann sind sie schon davon, nur noch ein durchsichtiges
Trugbild in der Luft. Das Fahrzeug rast auf das Gelände und verschwindet hinter
den Baracken.
Das war
er, dieser Soldat aus Herrn Rosens Laden, schießt es dem Mädchen durch den Kopf.
Damals, als die Kanone geschossen hat und alle rausgegangen sind, als er hereingekommen
ist.
»Arbeiten Sie mit daran«, sagt Ministerpräsident
Vilhelm
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